Portrait: Valentino Rossi: Henne, Ei oder Rossi?

Valentino Rossi gewann heute seinen neunten WM-Titel und sein Fanclub stellte die Frage: Was war zuerst? Henne, Ei oder The Doctor?

Portrait: Valentino Rossi: Henne, Ei oder Rossi?

Die Superlative zum Doctor sind eigentlich schon lange ausgegangen. Nach dem Lauf in Sepang waren es 58 Polepositions, 82 schnellste Rennrunden, 163 Grand Prix-Podien, darunter 103 Siege und neun Weltmeister-Titel. Die Zahlen sprechen für sich. Aber nicht nur die nackten Zahlen.

Valentino Rossi hat den modernen Motorradsport revolutioniert. Er war einer, der vor allem nach den Rennen mächtige Shows abzog. Zu Beginn seiner Karriere wurde er dafür noch belächelt. Er solle Leistung auf der Strecke zeigen, nicht daneben. Doch diese Stimmen verstummten schon bald. Ein Jahr Eingewöhnung, dann der Titel - in der 125er- wie in der 250er-Klasse, später bei den 500ern ebenso. In seinen ersten vier Grand Prix-Jahren hatte Rossi schon 39 Podestplätze inklusive 26 Siegen errungen, wurde zwei Mal Weltmeister. Bei seinem Aufstieg zu den 250ern erkämpfte er sich auf Anhieb den Vizeweltmeister-Titel - nur 23 Punkte hinter Loris Capirossi. Und dabei hatte sich Capirex gegen Ende der Saison warm anzuziehen - Rossi gewann vier Mal in Folge in Imola, Catalunya, Australien und Argentinien.

Die Königsklasse

2000 ging es in die Königsklasse und auf die 500ccm-Zweitakter. Beim vierten Rennen folgte der erste Podestplatz, Lauf neun im Donington Park brachte ihm den ersten Sieg. Und, wie sollte es auch anders sein, er beendete seine erste Saison als Vizeweltmeister - 49 Punkte hinter dem bist dato letzten Weltmeister auf Suzuki, Kenny Roberts jr. 2001 bis, um es kurz zu machen, 2005 führte kein Weg am Italiener vorbei. Fünf Titel in Folge mit 73 Podestplätzen - was will man mehr? 2003 stand er bei allen 16 Rennen auf dem Podium, die schlechteste Platzierung überhaupt waren dritte Plätze in Assen und Donington.

Definitiv ein Highlight und für Rossi eigentlich DER Moment, den er niemals vergessen wird, war, als er Ende 2003 seinen Umstieg zu Yamaha für 2004 verkündete. Den Italiener hatte es genervt, dass man nicht ihm sondern der Honda das Siegen zusprach. Er habe das beste Motorrad und sei nur deshalb so dominant gewesen. Rossi wollte beweisen, dass er der Sieg-Faktor war und ist und nicht das Motorrad, das der Fahrer den Unterschied macht.

Am 18. April 2004 sah man Valentino in Süd Afrika auf dem Phakisa Freeway so innig jubeln, wie zuvor schon lange nicht mehr. Nachdem er sich tags zuvor die Poleposition geholt hatte, gewann er das Auftaktrennen mit 0,210 Sekunden Vorsprung auf Honda-Pilot Max Biaggi. Und auch wenn er damals bei den zwei darauffolgenden Rennen "nur" Vierter werden konnte, sollten noch sieben weitere Siege folgen. Am Ende stand erneut der Titel, Mission gelöst: Der Fahrer macht den Unterschied. Im ersten Jahr auf einem neuen Motorrad wurde Rossi Weltmeister.

2006 - Rossi lernt den Begriff "Niederlage

Es dauerte bis in das Jahr 2006, ehe Rossi den Begriff "verlieren" lernte. Er holte in jenem Jahr zwar auch zehn Podestplätze in 17 Rennen, musste sich aber Nicky Hayden geschlagen geben. Beim Auftakt in Jerez wurde er von Toni Elias vom Bike gerempelt und wurde trotzdem noch 14., ein Rennen später in Katar siegte er wieder. Es folgte Platz vier in der Türkei und ein technischer Defekt in China und Platz sieben im Regen in Le Mans. Damit lag Rossi nach den ersten fünf Rennen schon 43 Punkte hinter dem führenden Hayden und war nur Achter.

Nach zwei Siegen in Mugello und Catalunya folgte Rang acht in Assen. Damals lief es einfach nicht für den Yamaha-Star. Nicky Hayden bekam dort auch noch den Sieg geschenkt, nachdem Edwards seinen ersten MotoGP-Triumph in der letzten Runde in der Schikane vor Start und Ziel wegschmiss. Donington und Deutschland brachten Rossi die Plätze zwei und ein, beim folgenden Rennen in Laguna Seca streikte die Technik erneut und der Italiener fiel mit Motorschaden aus. Der Sieger hieß Nicky Hayden und der führte in der WM 51 Zähler vor Rossi auf Rang vier. Selbst Dani Pedrosa und Marco Melandri lagen noch vor dem Doktor.

Fünf Podestplätze in Folge, darunter aber nur ein Sieg, brachten Rossi wieder in Schlagdistanz. Als Schlüsselszene des Jahres 2006 wird immer wieder gern das vorletzte Saisonrennen in Estoril genannt. Zuvor hatte er den Rückstand auf Hayden schon auf 12 Punkte verkürzen können. In Portugal stand er auf der Pole. Es kam das Rennen am 15. Oktober und ab der fünften Runde war Rossi plötzlich wieder WM-Führender. Ausgerechnet Teamkollege Pedrosa schoss Hayden ab, Rossi lag in Führung.

Doch dann passiert noch etwas, womit keiner gerechnet hatte, was teilweise sogar empörte: Elias (ja, derselbe Elias, der Rossi beim Auftakt abgeschossen hatte) schnappte dem zu diesem Zeitpunkt noch amtierenden Weltmeister den Sieg um 0,002 Sekunden weg.

Trotzdem kam Rossi als WM-Führender mit acht Punkten Vorsprung auf Hayden nach Valencia. Letzterer hatte sich für dieses Finale extra den Poker-Ausdruck "All-In" auf Lederkombi und Motorrad kleben beziehungsweise nähen lassen. Das Qualifying lief noch für Rossi - er die Pole, Hayden Fünfter. Erst das Rennen brachte die Entscheidung. Hayden und Rossi berührten sich schon am Start doch ging da noch alles gut. Ob es ein Zeichen war oder nicht, aber die WM-Entscheidung in Valencia brachte genau wie in Estoril die Runde fünf, als Rossi zum ersten Mal einen Fehler machte. Ein Fehler, der ihm den Sturz brachte und erstmals eine Niederlage brachte. Und auch dass er sich noch Rang 13 erkämpfen konnte, hielt Hayden damals nicht von Rang drei im Rennen und vom WM-Titel ab. The Doctor war geschlagen.

Ein Jahr später konnte Rossi gar nur WM-Dritter werden. Er holte dabei die wenigstens Podestplätze seit 1996 - seinem ersten Jahr in der Weltmeisterschaft bei den 125ern. Im ersten Grand Prix-Jahr waren es insgesamt zwei Podien, 2007 waren es acht. Die Saison endete mit drei Knochenbrüchen - im kleinen Finger und zwei im Handgelenk und mit der Aufgabe in Valencia.

2008: Sorry für die Verspätung!

2008 war er zurück, holte mit 16 von 18 Podien den Titel vorzeitig. Unvergessen der "Umbruch" der Saison, als er in Laguna Seca durch eine kleine Abkürzung in der weltberühmten Cork-Screw-Kurve Casey Stoner überholte. Der war bis zu jenem Zeitpunkt absolut dominant gewesen und wollte seinen Titel aus 2007 wiederholen. Doch nicht mit dem Doktor. In Laguna wusste er, dass er so aggressiv wie selten zuvor fahren musste, um sich Stoner zu schnappen. Der machte schließlich einen Fehler, der an das Duell Rossi vs. Gibernau in Jerez erinnerte, und musste ins Kiesbett. Rossi gewann, ließ darauf noch vier weitere Siege folgen und holte sich in Sepang schließlich den Titel Nummer acht. Damals entschuldigte er sich bei seinen Fans für die "Verspätung".

Die noch nicht zu Ende gegangene Saison ist in der MotoGP-Klasse heute entschieden worden. Wieder hieß der Weltmeister Valentino Rossi. Sechs Siege, vier zweite Plätze, zwei dritte Ränge, Vierter in Portugal, keine Punkte in Le Mans und Rang fünf nach Sturz in Donington reichten Vale, um den Titel klar zu machen. Dabei dürfte dieses Jahr eine der schwersten Saisons seiner Karriere überhaupt gewesen sein. Und der härteste Gegner saß auch noch in der Box neben ihm. Jorge Lorenzo setzte ihm fast immer zu.

Das Rennen der Saison ist definitiv Catalunya gewesen. Und es war nicht nur spektakulär, wie Valentino den Jorge in der letzten Kurve, letzte Runde niederrang, sondern es war das gesamte Rennen über einfach nur zum Fingernägelkauen spannend und eine tolle Werbung für diesen Sport.

2009 war nicht fehlerfrei

Und es war auch eine Saison, wo nicht immer alles glatt lief. Der Herausforderer Lorenzo machte Fehler und stürzte, aber auch Rossi tat dies. In Donington stürzten zum Beispiel beide - jeweils in Führung liegend. Doch der Unterschied war, dass Rossi weiterfahren konnte und sich noch ein paar Punkte sicherte.

Nachdem Lorenzo in Brünn beim Versuch Platz eins gegen Rossi zu behaupten erneut stürzte, flog Letzterer mit 50 Punkten Vorsprung in der Gesamtwertung nach Indianapolis. Dort kam es wieder zu heftigen und wilden Kämpfen mit Lorenzo und dieses Mal verlor Rossi die Nerven. Der Yamaha-Pilot stürzte, versuchte wieder weiter zu fahren, doch waren seine Rundenzeiten danach einfach nur noch "Off-the-Pace" und er gab auf. Lorenzo war wieder dran.

Rossi siegte dann in Misano, Lorenzo tat dies in Estoril - jeweils souverän. Als Vale in Portugal gar nur Vierter werden konnte, unkten böse Zungen, dass er den WM-Titel nicht gewinnen würde, ja, dass er das Alter habe und nun langsamer wird. Aber sein Crew-Chief Jeremy Burgess, der Rossi bei seinen Erfolgen immer begleitete, fragte richtig: "Wenn Rossi ein schlechtes Rennen hat und Vierter wird, was machen die anderen Piloten dann hier in dieser Klasse?"

Die Vorentscheidung fiel in Australien, als Lorenzo in der ersten Kurve nach dem Start stürzte und Rossi sich an das Hinterrad vom führenden und späteren Sieger Casey Stoner heftete. Zwar deutete der nun neunmalige Weltmeister immer wieder Angriffe an, zog es dann aber vor Platz zwei nach Hause zu bringen.

Heute Morgen waren es nach dem Warmup noch 38 Punkte Vorsprung und damit nicht genug, um schon Weltmeister zu sein. Aber doch so viel, um aus der Poleposition mindestens Rang vier - ungeachtet des Rennens von Konkurrent Lorenzo - als realistisch und sichern Titel zu sehen. Und so kam es dann auch.

Mit seinem neunten WM-Titel zog Valentino Rossi in der ewigen Bestenliste heute mit seinem Landsmann Carlo Ubbiali und am legendären Mike "The Bike" Hailwood gleich. Alle drei haben nun neun WM-Titel auf ihrem Konto und teilen sich damit Rang drei der ewigen Bestenliste - nur Angel Nieto (13 Titel) und Giacomo Agostini (15) liegen noch davor.

Abschließend bleibt nur das Sinnbild des Sketches zu zitieren, welches Rossis Fanclub heute anlässlich seines neuerlichen Titelgewinnes aufführt: Was war eher: Henne, Ei oder Valentino - die philosophischste aller Fragen.

©adrivo Sportpresse GmbH
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Foto: ©Milagro

Bericht vom 25.10.2009 | 1.934 Aufrufe

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