Underseat-Auspuff: Vom Hype zur fast vergessenen Technik

Warum der Underseat-Auspuff kam, glänzte – und verschwand

In den 2000er Jahren war er der Inbegriff sportlicher Motorrad-Ästhetik: der Underseat-Auspuff. Hochgezogen, direkt unter dem Soziussitz mündend, verlieh er sportlichen Maschinen ein aggressives Heck, eine cleane Linie - und war ein Statement für Fahrer, die sich von der Masse abheben wollten. Doch heute ist diese Bauform nahezu verschwunden. Was einst als technischer und optischer Fortschritt gefeiert wurde, ist inzwischen eine Rarität. Zeit für einen Rückblick-– und eine Erklärung, warum dieser ikonische Trend in der Versenkung verschwunden ist.

Ein kurzer Rückblick: Wie alles begann

Die Idee, den Auspuff unter dem Sitz zu führen, kam nicht über Nacht. Erste Hersteller begannen bereits in den späten 1990er-Jahren mit Experimenten in diese Richtung. Wirklich populär wurde das Konzept jedoch erst mit dem Boom der Supersportler in den frühen 2000ern. Besonders Marken wie Honda, Yamaha, Ducati und Triumph griffen den Underseat-Auspuff gezielt auf und machten ihn zum Designelement ihrer sportlichsten Serienmodelle. Inspiriert vom Rennsport galt diese Bauweise als Fortschritt in Sachen Fahrdynamik und Optik - ein Symbol für Power, Kontrolle und modernen Stil.

Warum der Underseat-Auspuff so beliebt war

Der Reiz des Underseat-Auspuffs lag in mehreren Faktoren. Vor allem versprach man sich davon eine bessere Massenzentralisierung, was sich direkt auf das Handling auswirken sollte. Ein zentraler, hochliegender Auspuff verlagert das Gewicht näher an den Schwerpunkt des Motorrads - ein Vorteil besonders beim schnellen Einlenken oder Richtungswechsel. Auch optisch überzeugte diese Lösung: das Heck wirkte aufgeräumt, klar und extrem sportlich. Kein klobiger Endtopf störte die Linie, stattdessen schien das Bike fast schwebend über dem Asphalt zu stehen. Für viele Fahrer hatte der Underseat-Auspuff zudem einen praktischen Vorteil - bei einem Umfaller oder extremer Schräglage war die Anlage besser geschützt als ein seitlich montierter Schalldämpfer.

Wo das Konzept an seine Grenzen stieß

Trotz dieser Vorteile zeigte sich mit der Zeit auch, warum der Underseat-Auspuff keine dauerhafte Lösung sein konnte. Einer der größten Kritikpunkte war die starke Wärmeentwicklung direkt unter dem Sitz. Vor allem bei sommerlichen Temperaturen oder im Stadtverkehr wurden Sitzbank und Soziusbereich unangenehm heiß. Zudem beanspruchte die Anlage wertvollen Raum unter der Sitzbank - ein Platz, der im Zuge wachsender Elektronikintegration dringend benötigt wurde. Spätestens mit den strengen Euro-4- und Euro-5-Abgasnormen wurde der Underseat-Auspuff zunehmend zum Problem. Moderne Abgasanlagen benötigen große Volumen für Katalysatoren und komplexe Abgasrückführungen. All das lässt sich unter dem Sitz nur schwer unterbringen, ohne Kompromisse bei Hitze, Platz oder Wartbarkeit einzugehen. Auch wirtschaftliche Gründe spielten eine Rolle: Die Konstruktion war aufwendiger, teurer und technisch komplexer als herkömmliche Seitenauspuffe.

Motorräder, die den Underseat-Auspuff legendär machten

Trotz aller Nachteile gab es zahlreiche Motorräder, die den Underseat-Auspuff geprägt und teilweise sogar ikonisiert haben.

Aprilia

Aprilia war mit der Shiver und Dorsoduro stilprägend im Bereich sportlicher Naked Bikes und Funbikes. Beide Modelle kombinierten V2-Motoren mit Underseat-Doppelauspuffanlagen, die das markante italienische Design unterstrichen:

  • Aprilia Shiver 750 / 900
  • Aprilia Dorsoduro 750 / 900 / 1200
Underseat-Geschwister: Aprilia Dorsoduro und Shiver.
Underseat-Geschwister: Aprilia Dorsoduro und Shiver.

BMW

BMW setzte bei einigen sportlichen Modellen auf den Underseat-Auspuff, etwa bei der besonders leichten HP2 Sport, bei der sportlichen Boxer-Variante R1200S sowie der R1100S, einem Vorläufer im sportlichen Sporttouring-Segment mit Einzel-Underseat-Endtopf.

  • HP2 Sport
  • R1100S
  • R1200S
Selten, edel, begehrt: Die BMW HP2 Sport.
Selten, edel, begehrt: Die BMW HP2 Sport.

Ducati

Kaum ein Hersteller steht so stark für den ikonischen Underseat-Doppelauspuff wie Ducati. Die legendären V2-Sportler von der 748 bis zur 1098 trugen diese Bauweise wie eine Designsignatur. Insbesondere die 916er-Baureihe wurde durch das Design weltberühmt. Doch auch die Hypermotard Baureihe zeigt sich noch heute stolz mit hoch montierten Endrohren.

  • 748 / 848 / 916 / 996 / 998 / 1098
  • 999 / 1198
  • Hypermotard 698 Mono / 796 / 950 / 1100
Ein ikonisches Heck: Die Ducati 916.
Ein ikonisches Heck: Die Ducati 916.

Honda

Honda setzte sowohl im Supersportbereich als auch bei Sporttourern auf Underseat-Designs. Die CBR600RR (PC37 und PC40) und die CBR1000RR Fireblade (SC57) prägten die Rennstrecken dieser Zeit während die VFR800 VTEC Underseat-Eleganz mit Langstreckenkomfort verband.

  • CBR600RR (PC37 / PC40)
  • CBR1000RR (SC57)
  • VFR800 VTEC (V4)
Noch heute ein stolzer Vertreter der Underseat-Tröte: Die CBR600RR.
Noch heute ein stolzer Vertreter der Underseat-Tröte: Die CBR600RR.

Kawasaki

Auch Kawasaki experimentierte in den Jahren 20042008 mit hochgelegten Auspuffanlagen. Besonders bei der ZX-6R, ZX-6RR und frühen ZX-10R-Modellen war das Underseat-Layout sichtbar - wenn auch nicht durchgängig in allen Ausführungen.

  • Ninja 20042007
  • ZX-6R (20052008)
  • ZX-6RR (20072008)
  • ZX-636 (20072008)
  • ZX-10R (20062007)
Sportlich und natürlich der Auspuff an der richtigen Stelle: Die Kawasaki Ninja ZX-6R.
Sportlich und natürlich der Auspuff an der richtigen Stelle: Die Kawasaki Ninja ZX-6R.

KTM

KTM setzte bei der 990 Super Duke (1. Generation) auf ein kantiges Underseat-Design. Auch die 640 Duke II hatte in einen hochgezogenen, fast underseat-artigen Endtopf.

  • 990 Super Duke
  • 640 Duke II
Duke mal anders: Die 640 Duke mit Doppel-Underseat-Auspuff.
Duke mal anders: Die 640 Duke mit Doppel-Underseat-Auspuff.

MV Agusta

Die italienische Edelschmiede war berühmt für ihre extravaganten Auspufflösungen. Die F4-Reihe bleibt bis heute eines der ikonischsten Beispiele für ein 4-Rohr-Underseat-Design. Neu hinzu kommt die exklusive Superveloce 1000, ebenfalls mit Underseat-Optik.

  • F4 (alle Baureihen)
  • Superveloce 1000
So wird Metall zur Kunst - auf der Superveloce 1000.
So wird Metall zur Kunst - auf der Superveloce 1000.

Suzuki

Suzuki ging mit der GSR600 und der brachialen B-King in die Underseat-Ära. Die GSR war besonders beliebt bei Einsteigern in den Naked-Bereich mit sportlichem Anspruch, während die B-King - zumindest optisch - eher als Negativbeispiel für Underseat-Lösungen bekannt ist. Zubehörsysteme schaffen hier Abhilfe.

  • GSR 600
  • B-King
Der wohl weltgrößte Underseat Auspuff auf der B-King. Das kam so serienmäßig!
Der wohl weltgrößte Underseat Auspuff auf der B-King. Das kam so serienmäßig!

Triumph

Triumph hat viele Modelle mit Underseat-Auspuff auf den Markt gebracht. Die Daytona 675 sowie mehrere Generationen der Speed Triple 1050 nutzten dieses Layout und kombinierten es mit dem markanten Dreizylinder-Sound.

  • Daytona 675
  • Speed Triple 1050 (Baureihen 515NJ / 515NV / NN01)

Der Underseat-Auspuff war für über ein Jahrzehnt nicht nur technisch spannend, sondern auch optisch ein echtes Stilmittel. Besonders europäische und japanische Hersteller der frühen 2000er prägten mit dieser Bauweise eine ganze Motorradgeneration. Heute sind solche Lösungen selten geworden - doch die Faszination für diesen ikonischen Auspuff lebt weiter. Wer ein solches Motorrad fährt oder sammelt, besitzt ein Stück Designgeschichte.

Triple Engine, Triple Exhaust. Die Daytona war ein Statement.
Triple Engine, Triple Exhaust. Die Daytona war ein Statement.

Yamaha

Yamaha zeigte eine beeindruckende Bandbreite an Underseat-Varianten: Vom Supersportler R1 (RN12, RN19, RN22) über den Einsteiger-Funbiker MT-03 (1. Gen) bis hin zur FZ6 und der mächtigen MT-01. Auch die klassische XT 600 war in manchen Varianten mit hochgezogenem Endtopf nahe am Sitz zu sehen.

  • YZF-R1 (RN12 / RN19 / RN22)
  • FZ6
  • MT-01
  • XT 600
  • MT-03 (1. Generation)
Manche erinnern sich an die RN22 als schönste R1 aller Zeiten.
Manche erinnern sich an die RN22 als schönste R1 aller Zeiten.

Fazit: Ein Stilelement, das nur mehr selten zu finden ist

Der Underseat-Auspuff war für über ein Jahrzehnt nicht nur technisch spannend, sondern auch optisch ein echtes Stilmittel. Besonders europäische und japanische Hersteller der frühen 2000er prägten mit dieser Bauweise eine ganze Motorradgeneration. Heute sind solche Lösungen selten geworden doch die Faszination für diesen ikonischen Auspuff lebt weiter. Wer ein solches Motorrad fährt oder sammelt, besitzt ein Stück Designgeschichte.

Bericht vom 28.04.2025 | 1.129 Aufrufe

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