Head-Up-Display für den Motorrad-Helm im Test - Tilsberk DVision
Navigation und Geschwindigkeitsanzeige immer im Blick.
Navigieren kann man heutzutage am Motorrad auf unterschiedlichste Arten. Ob über das Motorrad-Display, ein Navigationsgerät, oder das Smartphone - all diese Methoden haben aber den gleichen Nachteil: Man muss den Blick von der Straße abwenden, um die Informationen abzulesen. Das Tilsberk DVision HUD setzt genau hier an und will das verhindern. Wie gut die im Blickfeld schwebende Navigation in der Praxis funktioniert, haben wir in Spanien getestet.
Bei unserer Winterflucht im Raum Barcelona waren wir mit den unterschiedlichsten Bikes in Katalonien unterwegs. Auf den uns unbekannten Strecken brauchten wir immer eine Möglichkeit zur Navigation mit, beim ständigen Motorradwechsel waren fixe Navigationslösungen am Bike aber eher umständlich. Da bot sich mir die perfekte Gelegenheit, um endlich ein High-Tech-Feature, wie ich es sonst nur aus Videospielen kenne, zu testen. Die Firma Tilsberk aus dem sächsischen Zittau bietet nämlich ein Head-Up-Display für Motorradhelme an. Dadurch werden die Navigationsanweisungen direkt ins Sichtfeld des Fahrers projiziert und potenziell gefährliche Ablenkungen durch Geräte am Lenker sollen vermieden werden. Sicherheit liegt im Fokus der Safety-Experten, die auch das DGuard SOS-System für Motorräder anbieten. Ob die Projektion von Navigationsanweisungen in der Realität ebenso gut funktioniert, wie im Science-Fiction-Film oder Videospiel, das erfahrt ihr jetzt.
Alle Funktionen & Funktionsweise des Tilsberk DVision Head-Up-Displays für Motorrad-Helme
Bevor wir das Head-Up-Display (HUD) von Tilsberk beurteilen können, gilt es dessen Funktionsweise und die Features zu erläutern. Grundsätzlich nutzt das HUD die gleiche Spiegelungs-Technologie, wie sie auch schon in einigen modernen Autos, wie z.B. BMW X-Modellen, zu finden ist. Das 44g leichte Gerät sitzt an der Stirn und wird über Magneten am Helm befestigt. Ein Display über dem rechten Auge zeigt die Informationen an. Diese Anzeige wird über eine kleine, im Winkel einstellbare und rechteckige Glasscheibe gespiegelt. Da die kleine Scheibe gleichzeitig auch durchsichtig ist, blickt man mit dem rechten Auge durch und hat dabei gleichzeitig die Spiegelung der Anzeige im Blick, wodurch diese im Sichtfeld zu schweben scheint.
Was auf der Anzeige zu sehen ist, hängt vom ausgewählten Navigationsmodus ab. Das Gerät im Helm koppelt sich per Bluetooth mit dem Smartphone und wird von dort per Tilsberk-App gesteuert. Je nachdem welchen der vier Anzeigemodi man ausgewählt hat, werden unterschiedliche Layouts mit verschiedenen Informationen in der Displayanzeige dargestellt. Turn-by-Turn-Navigation, Fahrspuranzeige, die aktuelle Geschwindigkeit, die geltende Geschwindigkeitsbegrenzung, ein Kompass, eingehende Anrufe, Uhrzeit, der Bluetooth-Verbindungsstatus, der Akkuladestand des Smartphones und des HUDs finden darin in unterschiedlichen Anordnungen Platz. Jedes der vier Layouts legt dabei passend zur eigenen Bezeichnung den Fokus auf verschiedene Teile dieser Informationen. So konzentriert sich der Navigator-Modus z.B. auf die Navigation selbst und bietet als einziger Modus zur zusätzlichen Orientierung Fahrspurhinweise. Der Minimalist-Modus begrenzt die Informationen aufs Wesentliche, der City-Modus ist für eingehende Anrufe, Navigationsanweisungen mit Straßennamen und Geschwindigkeitsanzeigen gut und mit dem Explorer-Modus, der zusätzlich zur Navigation und Geschwindigkeitsanzeige auch noch einen Kompass mit anzeigt, können Abenteurer unbekannte Gegenden erkunden. Die Helligkeit der einfärbigen Anzeige passt sich automatisch dem Umgebungslicht an, kann aber auch manuell eingestellt werden. Die App nutzt mit der Sygic-Kartenbasis denselben Kartenprovider, wie TomTom-Navigationsgeräte. Die Route wird in der Tilsberk-App selbst zurechtgelegt, kann aber auch per GPX-Datei importiert werden. Außerdem soll die App auch in Bälde mit Calimoto kompatibel sein, das konnten wir zum Testzeitpunkt aber noch nicht überprüfen. Aber genug der Theorie! Wie handhabt sich das HUD in der Praxis?
Deppensicher - Montage des Tilsberk DVision HUD
Der erste Schritt nach dem Kauf des 399 € teuren Tilsberk HUD ist die Montage. Bei der extremen Vielfalt an Helmen, mit unterschiedlichsten Materialien, Formen und Arten von Helmschalen, hatte ich schon die Befürchtung, dass der Anbau des HUD ein nervenaufreibender Prozess sein würde. Doch Tilsberk hatte handwerkliche Legastheniker wie mich im Kopf, als sie das HUD designten. Per Fragebogen findet man verlässlich zur richtigen Art der Montage. Man scannt den QR-Code am Ende und schon erscheint eine Schritt-für-Schritt-Anleitung mit extra Videos zur Erklärung. Bei manchen Helmen wird die Basis des HUD, eine ca. 6 cm lange, gebogene Plastikschiene mit Magneten an den Enden, einfach zwischen die Schichten des Helmes geklemmt, bei anderen wiederum kommen Klebestreifen zum Einsatz. Mein HJC-Klapphelm benötigt aufgrund der komplexen Struktur und Sonnenblende im Inneren die vermeintlich komplizierteste Montageoption mit Knetkleber, doch auch dieser Einbau ist in wenigen Minuten erfolgreich durchgeführt. Jetzt heißt es nur noch aushärten lassen und los geht's!
Stört es? - Lage des Tilsberk DVision HUD im Helm
Entgegen meiner Befürchtungen beschneidet das Gerät des Tilsberk HUD das Sichtfeld nicht zu sehr. Mit einer Dicke zwischen 9 und 17 mm ragt sie auf Motorrädern mit halbwegs aufrechter Sitzposition nicht weit genug herab, um störend aufzufallen. Erst auf Supersportlern und Naked-Bikes mit stark gebückter Sitzhaltung blicke ich durch den stärker geneigten Kopf so weit nach oben, dass mir das Gerät das Sichtfeld beschränkt. Die kleine Glassscheibe, die auf jeder Motorradgattung direkt im Blickfeld leicht rechts vor dem rechten Auge liegt, stört hingegen überhaupt nicht. Anfangs bedarf es vielleicht ein wenig Gewöhnungszeit, doch schnell hat man die gelben Schriftzeichen und den dezent auszumachenden Rand der Glasscheibe vergessen, kann diese einfach ausblenden und sich auf die Straße dahinter konzentrieren. Sobald man die Informationen aber ablesen möchte, reicht ein minimaler Schwenk des Auges nach rechts. Durch die Einstellung des Fokus des Auges und in der kurzen Dauer des Ablesens sind Ablenkungen zwar noch immer möglich, doch die Straße bleibt im Hintergrund stets im Blick und die benötigte Zeitspanne, um den Blick zurück aufs Wesentliche zu lenken, ist beträchtlich kürzer als bei am Motorrad montierten Geräten. Tatsächlich bemerke ich nach einigen Kilometern, wie ich tatsächlich deutlich weniger oft den Blick von der Straße nehme. Dabei liegt das sogar weniger an der Navigation, als an der Geschwindigkeitsanzeige. Gerade in Barcelonas dichtem Straßennetz mit ständig wechselnden Geschwindigkeitsbegrenzungen ist es einfach praktisch, den gerade gefahrenen Speed immer im Blick zu haben. Das gilt doppelt, da die Geschwindigkeit im HUD keine ungenaue Tacho-Angabe ist, sondern per GPS-Signal des Smartphones genau ermittelt wird. Zusätzlich kann man sich bei verbundenem Bluetooth-Kommunikationssystem auch noch ein akustisches Warnsignal ab einer festgelegten KM/H-Anzahl über der erlaubten Geschwindigkeit festlegen. Diese Funktion ist aber auch komplett deaktivierbar. Das erste Ziel des Tilsberk DVision HUD, nämlich den Blick des Motorradfahrers mehr auf der Straße zu halten, ist bei mir auf jeden Fall von Beginn an erfüllt. Doch wie sieht es mit dem zweiten Steckenpferd, der Navigation, aus?

Die Probleme der Turn-by-Turn-Navigation - Test der Navigation am Motorrad mit dem Tilsberk Head-Up-Display
Im schon angesprochenen, äußerst dichten Großstadtdschungel der Metropole Barcelona stoßt so manches Navigationsgerät an seine Grenzen, so auch das HUD von Tilsberk. Die Routenplanung über die App funktioniert dabei recht schnell und gut. Hin und wieder läuft es aber nicht ganz so rund und das liegt weniger am Tilsberk-System, als an einem grundsätzlichen Problem von Turn-by-Turn-Navigationssystemen. Dabei folgt man keinem farbigen Pfad in einer 3D-Karte, sondern bekommt zum passenden Zeitpunkt immer die Richtungsanweisung für den nächsten Abbiegevorgang angezeigt. Dabei wird mit Distanzangaben und standardisierten Grafiken, hauptsächlich in Form von verschiedenen Pfeilen, gearbeitet. Auf einer einsamen Straße mit begrenzten Abbiegemöglichkeiten funktioniert das auch einwandfrei, doch im dichten Getümmel Barcelonas kann man schon mal anstehen. Zum Beispiel fährt man auf eine Kreuzung zu, das System zeigt den Pfeil zum Rechts-Abbiegen in 50 m an, doch bei der Kreuzung selbst gibt es drei Gassen, die nach rechts weggehen. Mit Turn-by-Turn-Navigation und ohne 3D-Karte zur Veranschaulichung weiß man erst nach dem Abbiegen, ob man sich für den richtigen Weg entschieden hat. Audio-Hinweise über das Kommunikationssystem im Helm können hier zwar etwas Abhilfe schaffen, beseitigen das Problem aber nicht komplett. Hier wäre es hilfreich, wenn man die Karte der App über ein am Lenker montiertes Smartphone zur Hilfe nehmen könnte. Leider jedoch sperrt sich der Bildschirm des Handys selbst beim Gebrauch der Karte nach wenigen Sekunden. Hier müsste man den Sperrbildschirm komplett deaktivieren, um die Karte dauerhaft sichtbar zu lassen. Mit etwas Hausverstand und Verständnis für das System kommt man aber, vielleicht abgesehen von den verwinkelsten Teilen der Stadt, gut voran und findet zum Ziel, auch ohne Blick aufs Handy. Dennoch offenbart das HUD noch eine Schwäche, vor allem auf breiten Stadtautobahnen.
Die Layouts des Tilsberk DVision Head-Up-Display für Motorrad-Helme
Das Layout für die Turn-by-Turn-Navigationsanweisungen und die Fahrspurhinweise sind nämlich leider alles andere als intuitiv. Die Kombination aus dem grundlegenden Problem der Turn-by-Turn-Anweisungen und unklaren Designs lassen mich öfter unter dem Helm die Stirn runzeln. Auf der sich ständig teilenden Stadtautobahn Barcelonas gilt es rechtzeitig den richtigen Fahrstreifen zu wählen, um die korrekte Abzweigung zu nehmen. Die Identifizierung des richtigen Fahrstreifens ist aber teils sehr schwer, vor allem weil die zusätzlichen Fahrspurhinweise des Navigator-Layouts hier nicht wie gedacht Klarheit schaffen, sondern mit ihrem kryptischen Design eher Fragezeichen aufwerfen. Dabei weiß ich nicht, ob mir hier rein das Design der Anweisungen Probleme bereitete, oder ob die Anzeige bei meinem Test nicht ein paar Fehler hatte. Denn auf der Tilsberk-Website zum HUD sieht man die Fahrspurhinweise als kleine Pfeile unter den Turn-by-Turn-Navigationspfeilen, bei mir waren es aber nur kleine farbliche Striche, die ohne mir erkennbarem System mal heller, mal dunkler leuchteten. Im City Modus hilft es zur zusätzlichen Orientierung noch, dass der Name der zu nehmenden Abzweigung eingeblendet wird. Das ist im Navigator-Modus aber leider nicht so.

Das Tilsberk DVision HUD auf der Landstraße
In etwas weniger chaotischen Gegenden funktioniert das HUD sehr gut. Auf der Landstraße kann man sich frohen Mutes dem Winkelwerk hingeben und ohne die Gedanken an etwas anderes zu verschwenden durch die Radien wedeln, bis im Blickfeld die nächste Anweisung aufploppt. Durch die selbstregulierende Helligkeit bleibt das Display dabei stets gut ablesbar, egal ob im Tunnel oder bei strahlendem Sonnenschein. Nur die teils recht kleinen Zahlen und schriftlichen Anweisungen sollte man noch lesen können. Da das Tilsberk HUD aber auch problemlos mit einer Brille verwendet werden kann, sollten auch Piloten mit schlechten Augen hier keine Probleme haben. Die Navigation haut auf der Landstraße sehr gut hin, erst Abstecher auf die kleinsten Wege bringen das Kartenmaterial an seine Grenzen. Wenn es auf diese abenteuerlichen, eventuell auch noch unbefestigten und unbekannten Wege gehen soll, dann bietet der Explorer-Modus aber mit dem Kompass noch eine praktische zusätzliche Orientierungshilfe, selbst wenn die Routenplanung schon längst nicht mehr möglich ist. Der Import von zuvor zurechtgelegten GPX-Routen kann hier natürlich die Sache noch einmal vereinfachen.
Batteriedauer & Bedienung des Tilsberk DVision Head-Up-Displays für Motorrad-Helme
Bis zu 12 Stunden lang soll der Akku des Tilsberk Head-Up-Displays halten. Bei meinem Test beende ich jeden Fahrtag mit mehr als ausreichend Akku. Einmal vergesse ich sogar das Gerät über Nacht per USB-C-Kabel zu laden und komme trotzdem noch gut durch den Folgetag. Auch die Bedienung des Head-Up-Displays funktioniert gut. Kein Wunder, denn viel falsch machen kann man gar nicht. Nach der Montage der Basisleiste kann das Gerät über die Magneten jederzeit mit einem Handgriff entfernt oder wieder angebracht werden. Dann heißt es Spiegel im richtigen Winkel ausklappen und ca. zwei Sekunden auf den Einschaltknopf drücken. Die Verbindung zum Smartphone wird bei eingeschaltetem Bluetooth und nach erstmaliger Koppelung automatisch hergestellt und schon kann es los gehen. Auch die recht einfache und logisch aufgebaute App lässt sich leicht bedienen. Sollte das Wetter schlecht sein, dann lassen sich diese Schritte, mit Ausnahme der Bedienung des Touch-Screens des Smartphones, auch mit dicken Handschuhen durchführen. Wie bei jedem Glas kann es aber bei kalten Temperaturen vorkommen, dass die kleine Spiegelscheibe anläuft. Das trat bei unserem Test aber bei 3 °C nur im Stand auf, war also kein wirkliches Problem für uns.
Test-Fazit zum Tilsberk Head-Up-Display für Motorrad-Helme
Anfangs war meine Skepsis bezüglich der grundsätzlichen Nutzung eines Head-Up-Displays im Motorradhelm groß. Doch das Tilsberk HUD ist tatsächlich klein, leicht und dezent genug, um zumindest auf Cruisern, Reiseenduros, Tourern und den meisten Naked Bikes nicht zu stören. Erst extreme Bikes mit vorgebeugter Sitzposition können ein Problem sein, es hängt aber auch stark vom Helm ab. Relativ schnell gewöhnt man sich an das HUD, die Spiegelung integriert sich nahtlos ins Sichtfeld und man nimmt tatsächlich den Blick seltener von der Straße. Besonders praktisch fand ich die GPS-Geschwindigkeitsanzeige, dank der ich mich präzise am Limit der erlaubten Geschwindigkeit bewegen konnte, ohne meine Augen auf den Tacho zu kleben. Die Navigation ist als Turn-by-Turn-Navigation nicht ganz so einwandfrei, erfüllt in dieser Rolle aber brav ihren Zweck, solange das Terrain nicht allzu chaotisch wird. Als echtes Manko empfinde ich das unintuitive Layout der Fahrspurhinweise, die hier Abhilfe schaffen könnten, dies aber nicht tun. Noch braucht es einen gewissen Willen, um sich mit dem HUD zu beschäftigen und damit durch die Gegend zu navigieren, es kann aber schon jetzt handfeste Vorteile bieten. Sollte Tilsberk in Zukunft bei den Navigationsanweisungen nachschärfen, oder womöglich sogar einmal eine 3D-Navigation im Kleinformat anbieten, dann sehe ich schon das Potenzial dieser HUD-Technologie, noch richtig große Wellen zu schlagen. Zurzeit steckt es meiner Meinung nach genau im Graubereich zwischen technischer Spielerei und nützlichem Gadget.
Bericht vom 17.04.2023 | 62.524 Aufrufe