Kuala Lumpur

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Ing. Alexander Seger mit Roller und Warnweste in der Hauptstadt Malaysias.
Kuala Lumpur

Mit der Mopett'n durch die Hauptstadt Malaysias.

Überraschenderweise vergehen 12 Stunden ab Frankfurt doch irgendwann. Die 777 der Malaysia Airline setzt zur butterweichen Landung am Kuala Lumpur International Airport an und rollt im Morgengrauen zum Terminal. Uhr um sieben Stunden vorstellen, aus Mitternacht wird Aufstehzeit. Nach der Einreisekontrolle wartet ein Taxler für den Weg ins Zentrum. Der Fahrstil selbigen Lohnchauffeurs ist nicht weiter berichtenswert, Taxi eben, verfeinert um eine Komponente, die mit einer an Wiedergeburt glaubenden Religion oder dem Vertrauen auf 72 Jungfrauen im Paradies zusammenhängen könnte. In der Ferne tauchen die Petronas Towers auf. Die aufgehende Sonne spiegelt sich zuerst in den Spitzen der Türme, dann in der ganzen Fassade, während Kuala Lumpur langsam erwacht. Beim Aussteigen aus dem klimatisierten Auto beschlägt die Brille.

Der Taxler scheint an Wiedergeburt zu glauben.


Fünf Motorrad-Journalisten aus aller Welt hat das Tourismus-Ministerium eingeladen. Fabrizio und Tommaso, die beiden Italiener der Gruppe, treffe ich im Lift. Peter stammt aus Sydney und gehört eher in die gemütliche Langgabelfraktion. Er fragt gleich nach, ob es tatsächlich in Österreich T-Shirts gibt, auf denen zu lesen steht, dass die Alpenrepublik Beuteltier-freies Territorium ist, und lacht nach meiner Bestätigung. Noch mehr lacht er nach meinem Vorschlag, er könne ja Leiberln auflegen, mit denen Aussies kommunizieren, dass sie weder Berge noch Schnee kennen: Australien besitzt mehr mit Schnee bedeckte Fläche als die Schweiz, erzählt er. Schifahren ist dort nicht so, aber größer ist das in Australien allemal.
Wie alles in Australien. Haryo kommt aus Indonesien, also quasi von nebenan

Doch was wäre ein Besuch in fernen Landen, ohne sich der ortsüblichen Fortbewegung zu widmen? Eben. Also rein in den Toyota-Bus, der uns aus der Stadt in die Industriezone shuttelt. Modenas (www.modenas.com.my) ist für Malaysia das, was Puch und KTM einst für Österreich waren, oder das, was Piaggio für die italienische Innenstadtmobilität bis heute bedeutet. Visitenkarten werden übergeben, viele klein gedruckte Angaben, viele Gesichter. Amir ist der Marketing Manager, Bastamam der CEO, Aldrin der Export Manager und Imsah von der Biker-Gazette WTR Magazine
(www.wheeltechnik.com) unser Guide. Ich gewöhne mir schnell an, an die Nennung meines Heimatlandes "in Europe" anzuhängen, um nicht als Crocodile Dundee eingeordnet zu werden (diesen Job überlasse ich Peter gerne).


Enjin, Silinder Blok und Brek.


Zahlreiche Fotografen blitzen aus verschiedenen Richtungen bei den angenehm kurzen Ansprachen.
Erster Kontakt mit der in "Millenium White" gehaltenen Mopette: Mei, lieb, so klein und darf schon auf die Straße! Arg winzig wirkt Modenas neues Flaggschiff, die GT 128, natürlich nur wegen dem großen Typ, der sich eine Sitzposition zusammenstellt, die für eine halbwegs passable Fahrzeugbedienung großteils tauglich sein könnte. Das Einstellen der Spiegel erübrigt sich, denn diese zeigen außer dem Oberkörper des Lenkers nicht viel. Für die Durchschnittsgröße am Heimmarkt dürfte das passen - immerhin beträgt das monatliche Verkaufsziel 5.000 Stück (um je 4.968 Ringgit, umgerechnet 1.081 Euro). Herzig die Fachbegriffe im Verkaufsprospekt:
"Enjin" steht für den Motor und dürfte direkt aus dem Englischen abgeleitet sein, "Silinder Blok" ist selbsterklärend, und die "Brek" macht - richtig geraten! - das Werkl wieder langsamer.

Der Tag ist keine neun Stunden alt, und dennoch hat es schon satte 30 Grad. Zusätzlich zur Jacke, die als Sonnenschutz unverzichtbar ist, bekommen wir noch eine Warnweste. So weiß der guide, ob noch ausreichend viele hinter ihm her sind. Dann werden im Kurzbriefing die wichtigsten Verkehrs- und Verhaltensvorschriften des Landes gepredigt, was das Fahren allgemein und im Speziellen in der Gruppe anlangt - drei Worte reichen dafür völlig aus: "You follow me."


9 Uhr früh, 30 Grad. Verkehrsregeln im Kurzbriefing.


Das größte Handicap bei der Fortbewegung ist der Antriebsstrang. Geschaltet wird mit dem linken Fuß, soweit so bekannt. Die Erste ist unten wie üblich, die anderen drei sind aber noch weiter unten statt rauf. Und die Kupplung ist nicht leichtgängig mit der Hand zu bedienen, sondern automatisch. Ein interessantes Konzept, schlau eigentlich, aber für meine (in mittlerweile leider auch schon Jahrzehnten) angelernten Bedienungsautomatismen eher hinderlich. Raufziehen des Hebels ist nämlich Zurückschalten; die theoretisch dafür vorgesehene Kickfunktion der Schaltwippe ist mit der Ferse kaum zu erreichen.

Unzählige Fotos der berittenen Gruppe bei der Übergabe der Warnwesten, mit Landesflagge und CEO, einmal hier, einmal da, endlich geht es los. Der Guide haut sich um die Ecke, als gäbe es kein Morgen (oder zumindest von gestern noch ein paar Kilometer nachzuholen). Zumindest wirkt das so, denn der gute Mann kennt die Schaltung ja schon länger. Trotz nur 130 Kubik (9,8 PS bei 7.500 U/min, 10,7 Nm bei 5.500 U/min) haben die Mopetten einen feinen Zug drauf, wenn die Schaltzeitpunkte gut gesetzt sind. Wenn. Gas weg, runtertreten, Gas. So einfach. Theoretisch, denn wenn das Verkehrsgewühl dichter wird und ein bissi Beschleunigung hilfreich scheint, sucht die Linke nach der Kupplung, während der Linke einen Gang runterschaltet. Theoretisch. Weil praktisch geht es einen Gang rauf, und wenn die Vierte schon drin ist, wird nur ausgekuppelt. So wirkt das Fahren vermutlich ziemlich linkisch. Die Verzögerung funktioniert hingegen überraschend gut; kein Wunder, mit Scheibenbremsen vorne und hinten ist die GT 128 ein technisches Gustostückerl im Vergleich zu dem, was sonst in dieser Hubraumklasse herumfährt.

Auf die Autobahn dürfen wir mit den kleinen Kubaturen nicht, was aber nix macht, denn die normalen Straßen haben mehr Spuren als die Tangente, dafür ist der Verkehr, wie soll man sagen, entspannter. Das Abstandsverhalten ist selbst euphemistisch als unter jeder Kritik zu bezeichnen, Tempo-Vorschriften gelten offenbar nur für bestimmte Teile der Bevölkerung, die gerade woanders zugegen sind - aber alles läuft ohne Aggressionen ab. Wo das goldene Wienerherz schon lang zum dauerhupenden Schaumvordemmundträger mutiert ist, regt sich hier noch lang niemand auf. Und weil Samstag ist, ist auch relativ wenig los auf den Straßen. Vergleichsweise.


Einspurige bike lanes parallel zur Autobahn.


Parallel zur Autobahn führen einspurige bike lanes, die mit 50 km/h oder 70 km/h beschildert sind. Viel schneller als 120 fahren wir ohnehin nicht (weil viel mehr auch nicht geht, selbst wenn im Prospekt 160 erwähnt werden). Die Unterführungen sind da schon recht eng, niedrig, und nicht zuletzt dunkel. Originell!

Ein wenig überraschend sind immer die Abzweiger ins normale Straßennetz - da hauen die Automatismen wieder alles zusammen, die Gänge hakeln sowieso ein wenig, somit gelingt das Einfädeln selten flüssig. Doch spätestens bei voller Fahrt ist die Welt wieder in Ordnung. Die sich durch die Vibrationen ständig leicht dejustierenden Rücksiegel kann man vergessen, in der klassischen Kampflinien-Haltung mit Ellbogen in Schulterhöhe lassen sie aber bei geschickter Einstellung und seitlich verkrümmter Oberkörperhaltung ein Grobbild über die Verhältnisse im Hinterhof zu. Tanzende Lichter mit neongelben Applikationen bedeuten, dass da noch wer ist. Das muss reichen.

Je weiter hinten du im Konvoi bist, umso ungehemmter musst du den Gasgriff melken. Somit schaue ich, eher vorne eingereiht zu bleiben, und selbst wenn sich bei den Kreuzungen wieder wer vorschummelt - wir fahren zwischen den Kolonnen durch und nehmen die erste Startreihe über alle Spuren ein -, spätestens ein paar Augenblicke später kommen die Rettungsfahrer-Gene durch, die flotte Spur wird angepeilt, und während die einen zwischen den fahrenden Autos im Slalom wedeln, stoßen die anderen auf den weniger dicht bevölkernden Fahrstreifen zur Spitze. Ganz vorne unser Guide, der aus Rücksicht auf seine Gäste versucht, nie schneller als 100 zu fahren. (Aber auch nicht langsamer, wenn's geht.

Erster Stopp: Ein Museum. So toll ist es eigentlich nicht, sagt der Guide. Aber wir benötigen halt einen Treffpunkt mit weiteren Gästen, also sollen wir durchgehen. Immerhin rennt drinnen die aircondition, und der Eintritt ist frei.

Zweiter Stopp: Batu Caves. Am Weg dorthin sehe ich eine Digitalanzeige mit 35 Grad Außentemperatur. Warm wird es angeblich erst gegen zwei am Nachmittag, also brauchen wir uns jetzt noch keine Sorgen zu machen. Schon von der Schnellstraße sieht man die 43 m hohe Statue der Hindu-Gottheit Murugan, dem jüngsten Sohn der Götter Shiva und Parvati. Die Mopetten parken in der prallen Sonne, gegenüber lockt ein schattiger Imbiss.


Rangelei zwischen Affen wird zur Schlägerei.


Ein warmer Tee kommt gerade recht, bevor wir uns bergan werfen. 272 arg steile Stufen führen in eine gut 100 m hohe Höhle, die 1878 vom amerikanischen Naturforscher William Hornaday entdeckt wurde. (Entdeckt - das ist freilich so eine Sache, denn das indigene Volk der Orang Asli kannte das Höhlensystem schon länger.)

Ende Jänner / Anfang Februar ist hier beim Thaipusam-Fest mit gut einer Million Pilgern und ein paar Tausend Schaulustigen ziemlich viel los, wir haben die Sehenswürdigkeit vergleichsweise exklusiv. Annähernd so viele Affen wie Touristen bevölkern die obere Höhle, die Viecher sind aber deutlich flotter unterwegs. Kleine Rangeleien einiger Tiere wachsen sich zu einer Schlägerei am heiligen Ort aus, während andere scheinbar unbeteiligt mit jenem Müll herumspielen, den eine andere Art von Affen achtlos zu Boden geworfen hat.

Nicht weniger anstrengend ist es, bergab zu gehen - nicht körperlich, aber koordinationstechnisch. Bergauf sind die schmalen, hohen Stufen kein Thema, da setzt man nur den Ballen auf. Hinunter wird das unmöglich, man muss schon mit der Ferse auf der Trittstufe das Auslangen finden. Dreht man die Füße ein wenig nach außen, gelingt das besser, und so wackeln wir wie der Fanclub von Charly Chaplin treppab.

 

Dritter Stopp: Lunch. Grelle Pastellfarben in gewagten Kombinationen mit anderen Farbtönen, wenig Zurückhaltung bei der Verwendung von Beton - so kann asiatischer Baustil auch aussehen. Geradzu stilvoll ist im Bausündenkomplex das Restaurant Ole-Ole Bali gestaltet, mit viel dunklem Holz, Sprühnebel-Vorhängen und Schatten spendenden, Luft durchlassenden Abdeckungen. Unermüdlich sorgen die Ventilatoren auf der Terrasse für entsprechenden Durchsatz, Barley with Lime fließt in Strömen in unsere Kehlen.

Vierter Stopp: Königspalast. Wer den Spind nicht in Ordnung hält, muss vermutlich die Wache übernehmen. Geradeaus schauen, keine Miene verziehen, wenn die in- und ausländischen Touristen ihre Erinnerungsbilder machen. Manche drängen sich gar in die Wachhütte hinein, für drei Personen scheint sie jedoch nicht ausgelegt. Und schon bleibt der nächste Bus stehen und spuckt ein paar neue Fotografen und Fotomodels aus.

Weiter geht es durch die Innenstadt von KL, wie die Einheimischen zur Hauptstadt des Landes sagen, Richtung Chinatown und dem Kolonialviertel. Am Merdeka Square, wo seit 31. August 1957 die malaysische Flagge statt dem Union Jack weht, steht der mit 100 m höchste frei stehende Fahnenmast der Welt. Das 1897 als Hauptquartier der Kolonialverwaltung errichtete Sultan Abdul Samad Building an der Längsseite des Platzes vereint Einflüsse britischer und maurischer Architektur. Daran vorbei tuckern wir zum letzten Sightseeing-Point.
 
Fünfter Stopp: Die 88 Stockwerke hohen Twin Towers der staatlichen Ölgesellschaft Petronas (das ist übrigens die Abkürzung von Petroliam Nasional Berhad, sollten Sie als Telefonjoker herhalten müssen). Die 452 m hohen Türme waren einst das höchste Gebäude der Welt, und sind heute zumindest noch die höchsten Doppeltürme. Der Grundriss jedes Turmes verweist als achtzackiger Stern auf die islamischen Prinzipien Einheit und Harmonie, die Spitzen der Türme erinnern an Minarette. Bauzeit der Türme: nur zwei Jahre, was im Vergleich zum Skylink am Wiener Flughafen nicht übertrieben
scheint.

Sechs Etagen des Gebäudekomplexes sind dem Shoppingcenter Suria KLCC gewidmet, im vierten Stock werden wissenschaftlich aufbereitete Informationen zur Erdölgewinnung und -verarbeitung interaktiv an Jung und Alt vermittelt. Die Sky Bridge, der öffentlich zugängliche Übergang zwischen den Türmen, ist auf 172 m Höhe angesiedelt. Der Eintritt ist kostenlos, die morgendliche Schlange für die täglich limitierten Karten entsprechend.
Interessante Auffassung von Verhaltensnormen: Am Gehsteig geht es durch die im Haltestellenbereich wartenden Bus-Fahrgäste, geparkt wird auf einer kleinen Verbreiterung des Gehsteiges. "Bitte steigen Sie nicht ins Gras. Da drüben steht die Polizei!" Adam heißt der Kieberer, der die Straßenseite wechselt und die Standardfrage stellt: "What´s your name? Where are you from?" Ich nenne meine Herkunft, Adam wiederholt fast korrekt, Peter haut sich ab. Hätte ich am Wiener Flughafen vielleicht doch so ein Känguruh-Leiberl kaufen sollen?


Ing. Alexander Seger ist Inhaber und Leiter der Fahrschule Fürböck in Mödling und leidenschaftlicher Motorradreisender.


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Text: Alexander Fürböck
Fotos: Alexander Fürböck

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Bericht vom 17.06.2010 | 5.660 Aufrufe

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