Gran(S)passo
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Saisonende in der Toskana |
Für alle, denen die November-Temperaturen in
den heimatlichen Gefilden zu nieder und die Strassen zu rutschig sind,
bietet sich die Mitte Italiens als ideale Gegend an, um die
Motorradsaison bei ca. 20 Grad Celsius, traumhaften und verkehrsarmen
Straßen sowie kulinarischen Hochgenüssen ausklingen zu lassen. |
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Wir waren heuer privilegiert, konnten wir die
An- und Abreise doch mit einem Renault Traffic bestreiten. Was uns vor
allem bei der verregneten Heimfahrt nicht ganz ungelegen kam! Als
fahrbare Untersätze haben sich uns die neue Überdrüber Spass- und
Sport-Enduro Moto Morini Granpasso 1200 sowie das Kult-Nakedbike Triumph
Speed Triple 1050 förmlich aufgedrängt. Ideale Eisen für das zügige
Reisen!
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Ausgangspunkt für die (leider nur) zwei
Fahrtage war das Hotel Badia di Pomaio bei Arezzo,
vier Kilometer außerhalb Arezzos gelegen, mit einem sagenhaften Blick
über die mittelalterliche Universitätsstadt.
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Badia auf Arezzo |
Badia di Pomaio |
Aus Arezzo hinaus führt uns der Garmin Street Pilot 2820 , der
erstaunlicherweise bereits die zahllosen Kreisverkehre in und um Arezzo
kennt. Auf die akustische Ansage habe ich dankend verzichtet, man will
sich ja nicht vom Wesentlichen ablenken lassen. Ab und zu ein Blick auf
das Display sollte reichen, auf der Landstrasse kann man eh getrost
darauf verzichten.
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Dampf am Morgen |
Tankstopp Arezzo |
Aber um vom Hotel zu den ersten Kurven und am Abend dann wieder retour
zu finden, ist das Navi ideal.
Auf der Moto Morini Granpasso ließ es sich auch so montieren, dass man
das Kontrollinstrument, das zahllose Informationen wie Lap-Timer (bei
einem Tourenmotorrad sehr essentiell; wir brauchten für die Lago di
Bolsena-Runde acht Stunden, 17 Minuten und 12,3 Sekunden, um diese Zeit
aber am nächsten Tag für die an sich längere Urbino-Runde mit sieben
Stunden, 53 Minuten und 33,5 Sekunden locker zu unterbieten!),
Außentemperaturanzeige (wir hatten max. 24 Grad!),
Motortemperaturanzeige, Durchschnittsgeschwindigkeitsanzeige
(Cappuccinopausen werden nicht mitgestoppt!), Voltmeter, automatischer
Tageskilometerzähler, Zeituhr und einen zweiten Drehzahlmesser!
aufweist. Und ja, es zeigt auch die Geschwindigkeit digital an!
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Sonntage am Morgen haben weltweit den gleichen
Vorteil: kein Verkehr! In Italien scheint das noch ausgeprägter zu sein
als bei uns. Bis Mittag sind die Nebenstrassen quasi leer. Und so können
wir ab Monte San Savino die beiden Babys zügig Richtung Süden treiben.
Durch Lucignano, Torrita und Montepulciano, das verdammt an einen
italienischen Rotwein erinnert, sowie Chiancano Terme, wo gegen Mittag
die ersten wellnessenden Touristen ihre gerade wieder total angesagten
Daunenjacken der einheimischen Bevölkerung präsentieren, und dem
faszinierenden Sorano mit dem Sasso Leopoldino, einem Tuffsteinfelsen,
der den Ort mit seinen unglaublich malerischen Häuschen weithin sichtbar
überragt, weist wieder zuverlässig unser Navi den Weg an den Bolsena-See,
in den gleichnamigen Ort.
Im Sommer vorallem von der einheimischen Bevölkerung und da speziell von
den Einwohnern Roms, das ja nur eine knappe Autostunde südlich liegt,
regelrecht belagert, findet man den Vulkansee und seine ihn umgebenden
Orte direkt gespenstisch verlassen vor.
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Sorano |
Tuffsteine bei
Sorano |
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Bolsena |
Lago di Bolsena |
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Wenigstens hat noch eine Strandbar offen und
nach dem klassischen Mittagspausenmenü, Toast, Cola und Espresso, geht
es weiter Richtung Orvieto.
Es ist eine Schande, dort vorbeifahren zu müssen, denn die ebenfalls auf
Tuffstein errichtete Altstadt mit seinen Kellern, Zisternen und Gängen,
die einem großen Labyrinth gleichen, wäre eine Besichtigung allemal
wert.
Aber eigentlich freuen wir uns schon so auf die Strada Statale 71 von
Orvieto nach Castiglione del Lago am Trasimeno-See, dass wir den
Nichtbesichtigungsschmerz rasch vergessen haben.
Diese verspricht nämlich 60 Kilometer puren, vom Mille Miglia-Tross
mehrfach erprobten Fahrspaß.
Ein harmonisch in die liebliche Grenzlandschaft zwischen Umbrien und der
Toskana gelegtes Asphaltband von höchster Güte lässt noch im November
Schräglagen zu, wie sie z.b. der berühmte Tiroler Schönberg höchstens in
den Monaten ohne R erlaubt!
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Fiume Senna |
Orvieto |
Nach dem üblichen Cappuccino in der Fußgängerzone von
Castiglione del Lago geht es im sonntaglichen Frühabendverkehr
hauptsächlich an stauenden Autos vorbei Richtung Arezzo und dort dank
2820 schnurstracks zu unserem Hotel. |
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Castiglione di Trasimeno |
Dort wird traditionell ein Analyse-Bier konsumiert, in dem alle High-
und Lowlights des Tages noch einmal Revue passieren müssen. Dann
allerdings serviert Giuseppe the shadow Cassiel, Monster 695-Fahrer
aus Überzeugung, der genetisch von Freddie Frinton, dem Ober in dinner
for one, abstammen muss, geniale Speisen im hoteleigenen Restaurant,
ohne jedoch über den Tiger zu stolpern, aber dafür mit gelegentlichen
Gesangseinlagen zu der im Hintergrund laufenden Carmina Burana von Carl
Orff. Dabei träumt er, für den Film entdeckt zu werden.
Die römische Cinecittá ist ja auch nur 150 Kilometer entfernt.
Eine anwesende Familie aus den USA, deren Oberhaupt, Lyman S. Foster aus
Vermont, sich als BMW Besitzer outet, rät Giuseppe, es doch auch in
Hollywood zu versuchen!
Gäbe es eine Starmania-Sendung für Servierkörper, Giuseppe wäre unser
Favorit!
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Arezzo am Abend |
Ciao Umbria Buona
Sera Toskana |
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Der zweite Fahrtag, wieder bei sich durch ein
wundervolles Morgenrot ankündigendem Sonnenschein, führt ostwärts über
Strassen, die wir bereits vor zwanzig Jahren für uns entdeckt haben,
nach Urbino und zurück. |
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Wir lieben das Navi |
Dr.Höschele |
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Von Cittá di Castello windet sich die Strasse, einer
Rennstrecke ähnlich, über den Bocca Serriola nach Piobbico. Gottseidank
war er noch nicht wintergesperrt, denn das scheint es tatsächlich zu
geben, was man im Sommer gar nie vermuten würde.
Hier die zeitweise vorgeschriebenen 50 bzw. 70 km/h Beschränkungen
einzuhalten ist vermutlich die grauslichste Form der chinesischen
Folter. |
Bocca Serriola |
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Die Granpasso und die Speedy gieren förmlich
nach Drehung des Gasgriffes in Richtung Körper (seinerzeitiger
Geheimtipp für schnelles Motorradfahren von Schurli Blazina aus
Wien-zum Körper drehen!). Falls einer der überholten Pkw eine
Zivilstreife gewesen sein sollte, so könnte dieser Kurztripp
nachträglich womöglich noch die Kosten eines zweiwöchigen Karibikurlaubs
übersteigen!
Die Performance der Moto Morini ist phänomenal, Franco Lambertini,
legendärer Konstrukteur des Moto Morini 3 ½ Motors mit Heron-Brennraum,
hat einen ultrakurzhubigen V2-Motor gebaut, der verblüffenderweise mit
einem gigantischen Drehmomentverlauf aufwartet, die Antihoppingkupplung
hilft in kritischen Zurückschaltphasen, speziell vor unbekannten Kurven,
und das Fahrwerk ist sehr sehr sportlich, die Gabel fast einen Tick zu
straff, dafür kann man das Öhlins-Federbein maßgenau auf den Fahrer
abstimmen.
Immer wieder strebt das Vorderrad der Granpasso gen Himmel, für einen
ungeübten Fahrer wie mich ist jedoch leider im vierten Gang Schluss.
Kevin Carmichael würde wohl locker am Hinterrad bis in die Sechste
durchmagazinieren!
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Über die Speed Triple 1050 zu schreiben ist
müßig, das haben Profijournalisten weltweit zur genüge getan, das Bike
ist eine Ikone, in der Toskana, in Toronto oder in Tokio, basta! Sie
fährt Kurven, sie wheelt, sie bremst, sie sieht geil aus und klingt
ebenso- was will man mehr?! Vielleicht doch 1200 ccm.... |
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Urbino, eine 15.000 Einwohner zählende Stadt
in der Region Marken, ist wegen seiner Architektur und Kulturgeschichte
Teil des Weltkulturerbes.
Für Motorradfahrer und speziell Rennsportbegeisterte hat die Stadt aber
eine noch viel größere Bedeutung, ist sie doch die Geburtsstätte des
vermutlich besten Motorradrennfahrers aller Zeiten, Valentino Rossi.
Vermutlich hat ihn sein Papa Graziano, der in seiner eigenen
Rennfahrerzeit mit einem an einer Hundeleine angehängtem Hahn durch so
manches Fahrerlager stolzierte, in seinem, wie ein Globus lackierten
Fiat 600 Multipla, die Strada Statale SS73 ins benachbarte Urbania
pilotiert, wo Valentino sofort die Vorzüge straßenbaulicher Kunst in
sich aufsaugen konnte.
So muss man achtfacher Weltmeister werden! Auch diese Straße sollte man
dem Weltkulturerbe-Büro zur Begutachtung vorlegen.
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Urbino |
Zurück nach Bibbiena warten noch der Bocca Trabaria, der Valico
dello Spino und Chiusi della Verna auf uns, alles gute Freunde aus alten
Zeiten! Unverändert, kurvig, wild. Zudem im November quasi senza
Traffico!
Ab Bibbiena verlässt uns das gute Wetter, eine Gewitterfront und der
Wetterbericht für die nächsten Tage verheissen nix Gutes.
Dank Herrn Goretex aber kommen wir trotzdem trocken im Badia di Pomaio
an, wo uns Freddie Giuseppe Frinton bereits wieder mit köstlichen
Gamberetti, Tortelloni und Fussili erwartet. Dass man in Italien,
speziell in der Toskana, auch jede Menge und Qualität an Weinen zu
kredenzen vermag, muss hier wohl nicht sonderlich erwähnt werden.
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Giuseppe serviert Vino |
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Bocca Trabaria |
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Gewitter über
Arezzo |
Helmstadt |
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Am nächsten Morgen weckt uns heftiger Regen
und wir sind froh über unser perfektes Timing.
Der Traffic wird beladen und im Dauerregen geht es auf der Autostrada
A1 1a und trocken Richtung Norden, wo es alle 50 Kilometer um fast zwei
Grad kälter wird.
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Einladen im Regen |
Autostrada Richtung
Heimat |
Am Brenner wird uns vielleicht schon der erste Schnee erwarten, die
Heimat lässt grüßen!
Vermutlich müssen wir halt doch im Winter 4 Wochen nach Neuseeland
fliegen, dort soll es ja auch im Dezember/Jänner motorradtaugliches
Wetter geben!
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Interessante Links:
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Text: Toni Cannelloni |