24h Super Duke

Außenrum statt nur vorbei! - Mit der Super Duke beim 24 Stunden-WM-Lauf in Oschersleben



Mit einer KTM Super Duke bei den 24h von Oschersleben anzutreten klingt ziemlich verrückt. Genau einen Tag später steht fest: Es ist verrückt! Doch genau das macht dieses Rennen für einen Haufen rennbegeisterter schon heute unvergesslich.

Gebückte Kilotreiber mit strategischen Boden-Boden-Raketen lassen sich nicht gern überholen. Wenn sie von einem Artgenossen überholt werden dann ärgern sie sich. Wenn sie von einer Zweizylinder KTM mit 120 PS überholt werden dann ist Schluss mit lustig. Wenn diese KTM in der Kurve außenrum an ihnen vorbeigeht dann kommen Mordgelüste auf. Wenn der Reiter der KTM eine zierliche Frau ist dann schwillt die Halsschlagader des Hergebrannten zur Dicke eines Feuerwehrschlauches an und mehrere Trillionen Hirnzellen sterben durch Überdruck.

Das Schlachtfeld heißt Oschersleben. 135 Wahnsinnige haben den Auftrag, auf 45 Motorrädern 24 Stunden lang im Kreis zu fahren. Langstrecken-WM. Ein Irrsinn. Maximale Belastung für Mensch und Maschine. Aber auch eines der letzten echten Abenteuer dieser Welt. Eine Sache für echte Männer - nur die Harten kommen durch! Im Jahre 2006 sollte sich zeigen, dass es auch harte Frauen gibt.


So kam es, dass Konrad Schittko, ein engagierter KTM Händler aus Unna, 2006 auf die Idee kam, mit zwei KTM Super Dukes gegen die versammelte Weltelite der Langstreckenteams anzutreten. Er fand Verbündete in Thomas Kuttruf, Pressesprecher KTM und Norbert Zaha, Geschäftsführer KTM Deutschland, die ausreichend gaskrank und verrückt genug waren, seine Idee zu unterstützen. Das Ziel war, mit beiden KTMs nach 24 Stunden würdig an der schwarz weiß karierten Flagge vorbeizufahren und nicht Letzte zu werden. Keiner konnte vor dem Rennen ahnen, welch ein Wahnsinn auf das Team zukommen würde.

Das KTM Dealers Team I mit den Fahrern Konrad Schittko, Markus Eichhorn und Karsten "Schmidti" Schmidt hatte sich als 44ste qualifiziert, das Team II mit Michael "Bundy" Roth, Remo Leemann und Nina Prinz als 38ste. Nina, die einzige Frau die es gewagt hat, die 24 Stunden zu fahren - und sie machte es mit Bravour! Im nassen freien Training am Donnerstag lag sie eine halbe Stunde lang auf dem 3. Platz, direkt hinter Yamaha Austria und Suzuki Castrol! Regentänze wurden vollführt, und man war sich einig, dass die Super Dukes im Nassen ganz vorne landen würden.

Das Team I hatte im Qualifying schon mit Rundenzeiten unter 1:40 auf sich aufmerksam gemacht, und als alle drei Fahrer des Teams II im Zeittraining 1:36er-Zeiten in die bituminöse Asphaltdeckschicht brannten, verloren einige Anwesende den Glauben an die physikalischen Grundgesetze. Beide KTMs standen also erhobenen Lenkers in der Startaufstellung zum Le Mans-Start. Bundy und der etwa halb so große Konrad warteten auf der anderen Seite der Zielgeraden auf den Start. Der Jubel und die La Ola-Wellen der Zuschauer auf der Tribüne sorgten für chronische Ganzkörpergänsehaut.

Rennleiter Ottmar Bange schwang die Deutschlandflagge und die Schlacht begann. Die beiden österreichischen Zweizylinder kamen gut vom Start weg und konnten in den ersten Runden schon einige Plätze gutmachen. Brutale Bremspunkte, ebensolcher Kurvenspeed und extreme Linienwahl ließen einige Bücklinge gleich zu Anfang verzweifeln. Nach dem ersten Turn füllten sich die Fahrerlagertoiletten mit weinenden Hergebrannten. Es bildeten sich lange Schlangen, und so mancher Zuschauer musste seine Notdurft im Freien verrichten.

Nach einem Sturz von Remo in seinem 1. Turn musste der Gasgriff der schwarzen Super Duke in der Box repariert werden, aber die Mechaniker waren auf alle Eventualitäten vorbereitet und schickten die KTM nach 10 Minuten wieder hinaus in die Schlacht. Ein paar Plätze waren weg, aber die Zuversicht des ganzen Teams ließ keinen Verdruss aufkommen.

Nach zwei Stunden ging Nina zum ersten Mal raus und fuhr dem Teufel in ihrem herrlich anzuschauenden Fahrstil einen Huf ab. Nina machte keine Gefangenen und verbesserte die bisherige Bestzeit des langen Elends Bundy um drei Zehntel auf 1:36,5. Am Ende ihres Turns hatte sie das Team II von Platz 38 auf 35 gepusht. Nach sechs Stunden hatte sich das Team II mit konstanten Runden zwischen 1:36 und 1:39 bis auf Platz 31 nach vorne geschoben. Konrad, Schmidti und Markus hatten ihren Rhythmus gefunden und wurden immer schneller - Platz 33 nach 6 Stunden. Alles sah sehr gut aus.



Schon in den beiden Nachttrainings war klar, dass alle Fahrer im Dunkeln unverhältnismäßig schnell unterwegs waren, und teilweise nicht mal eine Sekunde auf ihre schnellsten Tageszeiten verloren. Alle waren sich einig - Nachtheizen ist die schönste Tätigkeit auf Erden! Die normalen Sinne ruhen in sich selbst, während die Urinstinkte wieder an die Oberfläche kommen und den Fahrer wie in Trance durch die Dunkelheit fliegen lassen. Am Ende der Nacht lag das Team II auf einem sensationellen 22. Gesamtrang. Team I war nach einem selbstverschuldeten Auffahrunfall während einer Pacecar-Phase wieder auf Platz 34 zurückgefallen, aber die Nummer 53 war nicht gewillt, aufzugeben.

Morgens fing es an zu tröpfeln, und die meisten Teams fuhren bei den Bedingungen etwas vorsichtiger. Nur die KTMs und ein PS-LSL-Fahrer namens Penzkofer schienen nicht bemerkt zu haben, dass die Strecke feucht war. Viele Teams wechselten auf Regenreifen oder Intermediates, aber die KTMs blieben auf Slicks und fuhren unglaubliche Zeiten. In wenigen Runden hatten sich die beiden KTM-Teams um 4 Plätze verbessert, nachdem selbst einige der führenden WM-Fahrer, bevorzugt in der Hasseröder-Kurve, außenrum überholt worden waren. Damit lag das Team I wieder auf 30, und Team II auf Gesamtrang 18, was in der Open-Klasse den unglaublichen 3. Platz bedeutete.

Eine Sensation bahnte sich an...

Die Nervosität im Team stieg mit jeder Minute, ebenso die Hoffnung, diese Platzierungen ins Ziel zu retten. Doch von retten konnte keine Rede sein. Die Piloten fuhren in ihren letzten Turns immer noch dieselben Rundenzeiten wie zu Anfang und sicherten so die Positionen nach hinten ab. Nina und Konrad bekamen vom Team die Ehre zugeteilt, den Schlussturn zu fahren. Sie hatten es sich wahrlich verdient.

Alle Teammitglieder hingen mit zitternden Händen an den Zäunen und auf der Boxenmauer in Erwartung der Zielankunft der beiden Fahrer. Team I lag kurz vor Schluss auf Platz 29, Team II immer noch auf Gesamtrang 18 und dem 3. Platz in der Open-Klasse. Unfassbar für alle. Nachdem das Suzuki-Castrol-Siegerteam die Zielflagge passiert hatte kam Konrad über die Linie. Der Jubel beim Team war ohrenbetäubend. Nun fehlte noch Nina. Einige Fahrer machten ihren Reifen auf Start-Ziel den Garaus. Man machte sich schon Sorgen um Nina, als sie plötzlich in den Rasten stehend aus dem Rauch auftauchte und beim Team einen Jubel entfachte, der seinesgleichen suchte.


Alle fielen einander in die Arme, die Anspannung der letzten 24 Stunden fiel ab und machte Platz für einen wahren Freudentaumel.

Die Siegerehrung der Open-Klasse, die vom PS-LSL-Team auf Yamaha R1 gewonnen wurde, war die Krönung eines unglaublichen Rennens, das sowohl für die Fahrer als auch für alle Teammitglieder unvergesslich bleiben wird. Der Dank der Fahrer geht an alle Mechaniker, Köche und sonstigen Helfer, an die beiden Teamchefs Horst Feck und Hans-Hermann Ruser, den Fahrerkollegen und Hauptinitiator Konrad Schittko, der mit seiner Mannschaft von Schittko Motorradsport in wochenlanger Zusatzarbeit die Motorräder vorbereitet hat und an alle die das Team von Anfang an so großartig unterstützt haben.

Und natürlich an unsere Bikes: Die beiden Super Dukes haben völlig ohne technische Defekte exakt 5812 km in 24 Stunden zurückgelegt.


Autor: Michael "Bundy" Roth
Fotos: KTM
Autor

Bericht vom 04.09.2006 | 5.923 Aufrufe

Du hast eine Neue?

Verkaufe dein Gebrauchtmotorrad im 1000PS Marktplatz.

Inserat erstellen

Empfohlene Berichte

Pfeil links Pfeil rechts