EICMA 2009 - Vollgas?

Vollgas oder Standgas? Die Hersteller präsentieren sich für das Jahr 1 nach dem Start der Krise vollkommen unterschiedlich. Ein Überblick

Messe Mailand - EICMA 2009

 
Jahr 1 nach der Krise. Wie gehen die Hersteller mit den wirtschaftlichen Herausforderungen um? Welche Highlights kommen trotz knapper Herstellerkassen auf den Markt? Ein Überblick nach der EICMA in Mailand.

Slideshow EICMA 2009


Video EICMA 2009

Video: Volli
Schnitt: Volli
 


Die wichtigsten Marken und Modelle


Bei Aprilia erwarteten einige Fans eigentlich den Nachfolger der Tuono mit dem neuen V4 Motor. Doch ein wenig muss man auf das Mega-Nakedbike noch warten. Ebenso auf die RSV4R - also die günstigere Variante des Aprilia RSV4 Factory Superbikes. Die Pressepräsentation musste zuletzt wegen technischer Probleme verschoben werden, doch im Laufe des Jahres 2010 werden die Motorräder bestimmt verfügbar sein.

Ebenfalls 2010 kommt die sportliche Variante der Dorsoduro in einer Factory-Version. Diese wird mit 92 PS, einem Drive-by-Wire Sytem der zweiten Generation, einem voll einstellbaren Fahrwerk und viel Carbon der Ducati Hypermotard 796 das Leben schwer machen.


Vollgas bei BMW - 6 Zylinder, Superbike und Stammkundenpflege


BMW hat im Automobilgeschäft im aktuellen Geschäftsjahr deutliche Einbußen hinnehmen müssen. Frei nach dem Motto "alle sitzen in einem Boot", könnte man sich Sorgen machen um die im Verhältnis kleine Motorrad Abteilung. Für das Jahr 2010 wurde schon wieder ein Modellfeuerwerk gezündet. Die Sechszylinder-Studie Concept6 ist die Basis für defintiv kommende und komplett neue Modelle. Die große Herausforderung für BMW liegt nun aber in der Kommunikation - die Entwicklungsabteilung hat die Hausaufgaben erledigt (siehe Berichte Neuheiten von BMW).

Wie werden es die Bayern schaffen, zum Einen Ihre Stammkunden (um die sie der Rest der Motorradwelt mit Ausnahme von Harley beneiden muss) weiter an die Marke zu binden, gleichzeitig aber neue Zielgruppen von einem frischen Image zu überzeugen? Das fängt bei Messeständen an, geht über Werbung weiter und endet dann beim Shopdesign im Fachhandel. Cool und gediegen zugleich? Die letzten Versuche gingen leider daneben. Die jungen Neueinsteiger kauften die G 650 Modelle eher verhalten (Geheimtipp am Rande: Die eigentlich guten Motorräder werden im Moment ohne viel Getöse beim Fachhandel zu richtig guten Preisen abverkauft), die G 450 X konnte im Endurosegment auch noch nicht richtig Fuß fassen.

Doch mit der S 1000 RR wird das anders werden. Die PR-Strategen wagten mit der unüblich langen Aufwärmphase bis zum Startschuss zwar einen Drahtseilakt - ein anderer Motorradhersteller, welcher nur ein paar Kilometer weiter östlich daheim ist, hat damals ewig lange das neue Modelle zelebriert, bis es am Ende nur mehr wenige kaufen wollten. Anders als damals hat BMW jedoch die härtesten Gegner auf seiner Seite - die Japaner.

Wenn die S 1000 RR am 5. Dezember endlich in den Schauräumen steht, können die japanischen Händler und Importeure nur tatenlos zusehen. Die Entwicklungsabteilungen in Japan wurden von den panischen Kostenrechnern an die kurze Leine gelegt und mußten BMW kampflos den Sieg bei den technischen Daten überlassen.

BMW R 1200 RT 2010

Ducati riskiert - kompromisslose Multistrada


 

Ducati sorgte auf der Messe vor allem mit der neuen Multistrada 1200 für Aufsehen. Kritiker finden an ihr nicht so viel Gefallen wie an den sportlichen Modellen von Ducati. Doch Realisten ist klar, dass Windschutz und Komfort nun mal eine wuchtigere Front von Nöten macht, als bei einem gnadenlosen Superbike. Für Händler und Importeure ist dieses neue Modell jedoch ein ganz klares Signal. Die Italiener stecken trotz Krise den Kopf nicht in den Sand, sondern bringen ein komplett neues Modell ohne halbe Sachen. Und an die sportlichen Fans ein Trost: Es ist nicht notwendig, beim Schnellfahren zu leiden, die Multistrada wird euch gerne das Gegenteil beweisen.


Die einen haben nix, die anderen zeigen nix!


Honda hat mit der VFR 1200 F ebenfalls ein brandheisses Eisen im Köcher. Viel Hightech, edles Finish weit weg vom Mainstream. Auf der wohl wichtigsten Motorradmesse Europas, der EICMA in Italien, war Honda jedoch nicht vertreten. Normalerweise ein Fest für Medienbetreiber und Verleger. Denn wenn die Hersteller bei den Messeauftritten sparen, müssen Sie im Gegenzug mehr Geld in Werbung stecken. Das würde unsere Kassen füllen - Hurra! Wer so denkt, hat der japanischen Management-Logik jedoch noch nicht ganz folgen können. Gespart wird überall! Gleichzeitig sollen jedoch die von der japanischen Zentrale geprügelten Importeure in den einzelnen Ländern das Kunststück schaffen, trotz weniger Mittel Marktanteile zu erobern. Gleiches erwartet man natürlich von den Händlern an der Front.

Ähnlich die Situation bei Yamaha. Auch Die Stimmgabeltruppe fehlte auf der EICMA. Mit ein Grund dürfte der für die Supertenere-Präsentation unpassende Termin sein. Das in Europa lang erwartete Motorrad soll in der Saison 2010 auf den Markt kommen, eine erste "Studie", bestehend aus einem Eisengerüst umwickelt mit Handtüchern, konnte man auf der Tokyo Motorshow bestaunen. Yamaha hätte aber auch abseits von Modellpräsentationen Einiges zu erzählen.

Sie haben im Jahr 2009 im Strassensport alle wichtigen internationalen Meisterschaften gewonnen. MotoGP - Weltmeister!, Superbike WM - Weltmeister!, Supersport WM - Weltmeister!, Langstrecken WM - Weltmeister!. Nebenei haben sie mit Rossi und Spies die im Moment wohl schillerndsten und beeindruckensten Fahrer im Programm. Dieses Engagement kostet Millionen, doch die Importeure in den Ländern können zu wenig Profit daraus schlagen, weil die Zentrale den Geldhahn zudreht. Schade um die herausragenden Erfolge.

Bei Suzuki haben die Manager scheinbar die Losung "wir verhalten uns nicht antizyklisch" ausgerufen. Soll heissen: Wenn es schlecht läuft, darf die Entwicklungsabteilung nichts unternehmen, damit es besser wird. Doch hier gibt es zumindest berechtigte Hoffnung, dass man im Jahr 2010 noch eine Neuheit im Umfeld der "GSR" nachlegt. Damit könnten die Fachhändler und auch der Importeur vielleicht an die damals beeindruckenden Verkaufserfolge der GSR 600 anknüpfen.

Die Sparwut ist hier auch nicht ganz so übel und man leistet sich einen netten Messeauftritt auf der EICMA. Die Neuheiten heissen Bandit 1250, auf deren Basis auch die verkleidete GSX-F 1250 steht, der Cruiser M800 und die Enduro RM-X 450Z. Auch der GSX-R Spirit wird dort mit einer 25-Jahr Sonderedition am Leben erhalten. Ein beruhigendes Signal an die Suzuki-Händler. Nicht gespart wird übrigens von allen Japanern bei der MX-Palette. Honda und Suzuki punkten heuer mit neuen 250ern, Kawa und Yamaha mit neuen 450ern. Allesamt vollgepackt mit Hightech und Entwicklungs Know-How.

Honda VFR1200F
Honda CBF1000F
Suzuki Enduro & Motocross 2010
Kawasaki 1400GTR 2010 Kawasaki Z1000 2010
Komischerweise gibt ausgerechnet jener japanische Konzern am meisten Gas, den es in vielen Bereichen besonders schlimm getroffen hat. Kawasaki Heavy Industries baut unter anderem Schiffe und Industrieanlagen. Gibt wohl wenig Geschäftsfelder, die in den Jahren 2008 und 2009 stärker gelitten haben. Doch die Motorradabteilung darf weiter Vollgas geben. Neue Versys, neue Z1000, neue GTR, neue Einsteigergeräte - der grüne Spirit lebt und begeistert die Fachhändler. Die Kunden werden es spüren. Sehr spät hat Kawasaki jedoch die Weichen im Sportsegment in die richtige Richtung gelenkt. Die grünen Ninja-Fans wurden in der letzten Saison nach jedem Rennwochenende in der MotoGP oder SBK-WM an den Stammtischen schwer geprügelt. Nun konzentriert sich Kawasaki voll und ganz auf die Superbike WM und verpflichtet Chris Vermeulen. Leider erst 2011 soll dann eine angeblich revolutionäre neue 1000er auf den Markt kommen - für Siege und Verkaufserfolge.

Bonus in den Köpfen der Motorradfahrer


Die Fans japanischer Marken müssen sich angesichts der zurückhaltenden Entwicklungs-, Preis- und Vertriebspolitik aber noch keine Sorgen machen. Die Europäer holen zwar kräftig auf, in Sachen Zuverlässigkeit sind die Japaner aber nicht nur in den Köpfen der Motorradfahrer, sondern auch in der Praxis immer noch einen Schritt vorne. Erst vor kurzem mussten wir wieder live miterleben, wie bei einer Pressepräsentation eines wunderschönen Italieners an sechs Motorrädern die Motoren platzten. Die angereisten Journalisten reisten unverrichteter Dinge wieder ab. Bei Nippon-Präsentationen muss sich der Entwicklungsleiter vermutlich schon das Leben nehmen, wenn die Rückspiegel während der Pressefahrt locker werden. Dieser Qualitätsbonus wird die Japaner also bestimmt durch die mageren Jahre bringen, aber magere Jahrzehnte kann man damit nicht überbrücken.


Back to the roots bei Harley


Besonders am europäischen Markt waren Harley-Motorräder in den letzten Jahren eine echte Gelddruckmaschine. Fans und Fanatiker finden sich gleichermaßen in dreckigen Garagen wie blitzblanken Führungsetagen. Doch Stückzahlen werden immer noch am riesigen Heimmarkt gemacht und dort knirscht es durch das stockende Finanzierungsgeschäft leider gewaltig im Getriebe.

Ein Opfer wurde bereits gerichtet: die Marke BUELL wird eingestellt, die letzten Modelle werden derzeit verscherbelt. Wie ein Zombieball wirkte der kleine Stand im Schatten von Harley. Schade um die Marke für echte Individualisten. Das Engagement der Amerikaner bei der italienischen Traditionsmarke wurde ebenfalls neu bewertet und sucht nach nur einem Jahr wieder einen Käufer. MV Agusta selbst präsentierte eine neue F4. Kantiger als die Vorgängerin, aber an Form, Farbgebung und Preis immer noch klar als MV F4 erkennbar.


KTM: Ready to Race, auch bei den 125ern


KTM hat ein hartes Jahr hinter sich. Die Krise traf die Mattighofener in einem ohnehin schon ungünstigen Zeitpunkt. Doch aus wirtschaftlicher Sicht sieht man bereits wieder Licht am Horizont. Das aktuelle Geschäftsjahr soll noch mit einem dicken Minus enden, dann sind aber die größten Sündern der Vergangenheit verdaut - auch das Autoprojekt. Schon im nächsten Jahr möchte man wieder ein ausgeglichenes Ergebnis hinlegen. Der Personalabbau ist jedenfalls weitestgehend beendet und trotz harter Zeiten gingen KTM die guten Ideen nicht aus.

Die Kernzielgruppe wird sich über das neue 350er Motocross Modell freuen. Die MX-Legende Stefan Everts war bei der Entwicklung maßgeblich beteiligt. Außerdem wurden gefällige Varianten der RC8-R und eine eine neue 690 Duke R präsentiert. Das größte Potential für KTM schlummert jedoch in der vorgestellten 125er Palette. Richtig scharfe Eisen! Damit wird man nicht nur am deutschen Markt punkten können. In Österreich werden die Verkaufschancen rapide ansteigen, sobald man diese Bikes auch mit 16 Jahren fahren darf.


Guzzi, Husky und Morini


 

Husqvarna wird dank BMW-Investitionen wieder eine stärkere Rolle am Markt spielen. Für die nächste Saison hat man jedenfalls eine tolle kleine Enduro in den Startlöchern und in Mailand präsentierte man eine neue Supermoto. Die SM 630 ist übrigens keine harte Wettbewerbsmaschine, sondern ein flinkes und laut Husqvarna auch einigermaßen alltagstaugliches Gerät für Stadt und Land.

Die wiederauferstandene Marke Moto Morini steckt leider wieder in finanziellen Schwierigkeiten. Doch angeblich geht es mit der Investorensuche gut voran und mit der Gran Motard steht auch ein neues Motorrad in den Startlöchern.

Für Moto Guzzi legten sich zwei der berühmtesten Motorrad Designer ins Zeug. Pierre Terblanche und Miguel Galluzzi servierten in Mailand nett anzusehende V-12 Concept Bikes. Wir hoffen für die Guzzi-Fans, dass diese Motorräder umgehend das Stadium "Concept" verlassen und umgesetzt werden. Die Italiener sprechen von mindestens 2 Jahren, auf Deutsch bedeutet das mindestens 3-4.

   

Alles richtig gemacht hat man in den letzten Jahren bei Triumph. Für das Modelljahr 2010 gönnt man dem Werk und auch den Händlern eine Entwicklungs- und vermutlich auch Wachstumspause, eine Reihe von Neuheiten soll erst für 2011 folgen. Wirtschaftlich geht es den Engländern nicht schlecht, mit dem schwachen Pfundkurs konnten sie im Euroraum heuer trotz attraktiver Preise nett verdienen. Völlig neu ist die Thunderbird, neu justiert die Rocket Roadster. Vollgas wird man aber 2011 geben. Die nächsten Modelle sind eigentlich logisch. Der Tiger könnte einen kleinen Bruder gebrauchen, die Daytona eine große Schwester und die Speed Triple eine Frischzellenkur. Auf der EICMA gab es exklusive Farbgebungen für Speedy und Bonneville, die Kooperation mit Öhlins würdigte man mit einem Speedy Showbike.


Kein Grund zum Raunzen - gewaltige Auswahl


Insgesamt haben die Motorradfahrer 2010 jedoch keinen Grund zum Raunzen. Die Auswahl an Motorrädern aller Gattungen ist größer als je zuvor, hier kann man keine Krise erkennen. In jeder Klasse gibt es zumindest ein richtig scharfes Highlight. Alle österreichischen Leser können diese Neuheiten vollständig auf der Messe in Linz (5.-7. Februar 2010) bestaunen. Gute Nachrichten für die österreichische Branche vom umtriebigen Veranstalter Werner Grell: Die Messefläche ist restlos ausverkauft und es sind sämtliche namhafte Hersteller vertreten. Mit dem schlüssigen und sparsamen Messekonzept konnte man auch die strengsten Kostenrechner überzeugen. Insgesamt also gute Vorzeichen für ein gutes Geschäftsjahr für den heimischen Fachhandel und eine große Auswahl für alle Motorradfahrer.


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Text: NastyNils
Fotos: Hersteller

Bericht vom 13.11.2009 | 5.860 Aufrufe

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