Elektrofachmesse
Elektrofahrzeuge werden elektronisch
Der Gesamtwert eines militärischen Düsenflugzeugs ergibt sich zu etwa 80 % aus
dessen Schaltkreisen. Dabei ist der erste Motorenflug wenig mehr als ein
Jahrhundert her. Passagierflugzeuge bestehen zu etwa 50% aus Elektronik und
Elektrik, ein gängiges Familienauto hingegen zu rund 30 %. Wobei all diese
Prozentangaben kontinuierlich wachsen. Ein Flugzeug besteht heute aus weit mehr
als dem Radar, der Kommunikationseinheit und anderen Instrumenten, die vom
Piloten kontrolliert werden. Eine Fülle an Sensoren, Kraftstoffregelung und
weiteren Regelungssystemen in den Motoren, Flügeln und anderswo machen ein
Flugzeug ebenso aus. Sogar das herkömmliche Familienauto besteht aus weit mehr
als Navigationssystem, Telefon, Einparkhilfe und anderer Elektronik zur direkten
Fahrerunterstützung. Der MEMS-Beschleunigungssensor für Airbags ist nur ein
Beispiel für die stetig steigende Anzahl an versteckten Sicherheitskomponenten
und -maßnahmen, die mithilfe von Schaltungstechnik gesteuerte werden.
Elektrofahrzeuge sind voller Schaltkreise
Mit der Einführung von hybriden und voll elektrischen Fahrzeugen wird der Trend
zu immer mehr Schaltkreisen weiter angetrieben. Es ist allseits bekannt, dass
die Antriebsbatterie eines Elektrofahrzeugs bis zu 50% der Kosten ausmachen
kann, egal ob Land-, Wasser- oder Luftfahrzeug. Weniger bekannt ist, dass die
Zellen selbst auch lediglich 50% des Batteriegesamtwertes ausmachen können.
Entsprechend bietet Lithium-Balance-Technologie einen komplett neuen Ansatz für
Batteriemanagementsysteme (BMS). Elektrische und elektronische Schaltungen
überwachen die Zelltemperatur, bewahren die Zellen vor Überlastung, speichern
und versorgen Spannungsspitzen mit Superkondensatoren, wandeln Energie aus
Energy Harvestern und Ladestationen in adäquaten Gleichstrom und Spannung um,
und veranlassen außerdem sofortige Abschaltung bei Aufprall, Feuer, Zellschaden
oder anderen Ausfällen.
Elektronik übernimmt Motoren
Nicht nur Antriebsbatterien werden zu elektronischen Bauteilen. Antriebsmotoren
arbeiten heutzutage überwiegend mit Wechselstrominduktion statt bisherigem
Gleichstrom. Letzteres wird allerdings weiterhin bevorzugt in
Hochgeschwindigkeits-Elektroflugzeugen und für Höchstleistungen wie
beispielsweise bei Bussen und vielen Radnarbenmotoren eingesetzt. Erstmalig
wurden Wechselstrommotoren in Golfautos und Gabelstaplern eingesetzt und
befinden sich heute in den meisten führenden Elektroautos von General Motors
(GM). Auch BMW, Fiat, Ford und andere Automobilhersteller wie Toyota schwenken
um bei neuen Modellen. Entsprechend soll der Tesla Roadster 88%
Übertragungseffizienz Batterie-zu-Reifen erreichen. Das wäre 3-mal besser als
bei herkömmlichen Fahrzeugen. Andere Gründe für das Umdenken liegen in der
inhärenten Sicherheit, der Vermeidung von Permanentmagneten und damit dem
seltenen Neodym, sowie steigender Zuverlässigkeit und Haltbarkeit. Außerdem ist
die Nutzbremsung möglich sowie entsprechende Äquivalente für Luft und Wasser
ohne zusätzliche Komponente. Ein Induktionsmotor kann passiv gekühlt werden und
entbehrt oft Klimaanlage, Wasserpumpe und zugehörigen Rohrleitungen. Siemens und
AC Propulsion gehören zu den führenden Anbietern von Wechselstrommotoren.
Wechselstrommotoren sind einfacher programmierbar und gerade dieser Aspekt ist
für die immer beliebter werdenden Radnarbenmotoren sehr wichtig. Der
Rückwärtsgang lässt sich einfach realisieren und die Montage ist relativ simpel.
Wechselstrominduktionsmotoren sind zwar einfacher konstruiert und günstiger als
die meisten gängigen Gleichstromäquivalente, sehr zuverlässig und in vielen
verschiedenen Größen und Betriebsspannungen erhältlich, allerdings benötigen
leistungsstärkere Modelle auch höherer Spannung und niedrige Stromstärke als
Gleichstrommotoren. Dies kann zu effizienterer Stromversorgung führen, derartige
Schaltkreise bedeuten aber noch eine Herausforderung.
Gleichstrommotoren werden weiterhin in Hochleistungsanwendungen genutzt, wie
beispielsweise exzellente Beschleunigungswerte von 0 auf 100 sowie für
scheibenförmige Räder usw. Das Swigz Pro Racing Team erreichte kürzlich einen
neuen Topspeed-Weltrekord für E-Bikes beim Mojave Mile Shootout. Angetrieben von
einem Gleichstrommotor von UQM Technologies erreichte das E-Bike eine
Spitzengeschwindigkeit von 307 km/h. Das Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt entwickelte einen Gleichstrom-Bugradantrieb, der Passagierflieger zu
Elektrofahrzeugen machen soll. Nichtsdestotrotz holen Wechselstrommotoren rapide
auf. Der Tesla Roadster beschleunigt von 0 auf 100 in 3,9 Sekunden. Das
Unternehmen Evans Electric aus Österreich bereitet unterdessen die Einführung
eines Radnarben-Gleichstrommotor-Systems vor, dass sogar eine Gesamtleistung von
280 kW bei einer Beschleunigung von 0 auf 100 in unter 3 Sekunden erreichen
soll.
Die Komplexität und Kosten für Wechselrichter in Wechselstrommotoren sind
größtenteils überwunden. Tatsächlich wurden Gleichrichter in Gleichstrommotoren
durch Schaltungen aus elektrischen Gleichstrommotoren ersetzt. Parallel dazu ist
auch die Steuerungselektronik anspruchsvoller und komplexer geworden - mehr
Elektrik und elektronische Schaltungen.
Verbreitung von Energy Harvesting-Schaltungen
Die Motortemperatur sowie die Abgase eines Hybridfahrzeugs werden schon bald von
thermoelektrischen Energiewandlern in Elektrizität umgewandelt. Außerdem gibt es
ein großes Interesse an Schaltkreisen für Batterien und Elektromotoren zur
Kühlungs- und Wärmeumwandlung. Bis dahin wird die Temperatur bereits überwacht.
Fiats Interesse an autonomen Beleuchtungseinheiten in Fahrzeugen ist Teil der
Strategie hin zu Funkschaltung mit lokaler Energiegewinnung und gedruckter
Elektronik und Elektrik zur Strom-, Gewichts- und Platzeinsparung.
Vereinfachung des Wirrwarrs aus Elektronik und Elektrik
Wie verbessert man das immer größer werdende Gewirr aus Kabeln und Schaltungen,
aus denen das Elektrofahrzeug der Zukunft besteht? Rogers Corporation setzt die
spezielle Halbleiter-Struktur des Directly Bonded Copper" (DBC) auf Keramik
ein. Geringe Leistung und Anzeigen werden immer häufiger durch gedruckte und
teilweise gedruckte Elektronik realisiert. Es wäre sogar denkbar, dass ein
Großteil der gedruckten Schaltkreise, flächigen Beleuchtung, Photovoltaik,
großflächigen Sensoren etc. eine Art intelligente Außenhülle des Fahrzeuges
bilden oder zumindest der Batterie. Das hätte auch den Vorteil der
Selbstkühlung, neben der Einsparung von Kosten, Gewicht und Platz.
Die Firma T-Ink realisierte bereits Gepäckfach- und Armaturenbeleuchtung mit
gleichmäßig bedruckter flächiger Beleuchtung, Bedienelementen usw. übereinander.
Diese Technik wird in Kürze in einem führenden Elektrofahrzeug für bis zu 40 %
Platz-, Gewicht- und Kostenersparnis gegenüber herkömmlichen
mechanischen/elektrischen Geräten sorgen. Hinzu kommt verbesserter
Witterungsschutz und Zuverlässigkeit. Die Tinte ist sprichwörtlich in der Lage
sich der Form anzupassen, während nachträglich die Kunststoffelemente geformt
werden. T-Ink hat 20 Millionen Dollar eingeworben, um mit dieser Technologie an
den Markt zu gehen. Sie ersetzten sogar die schweren und teuren Kupferleitungen
in Elektrofahrzeugen durch gedruckte Leiterstrukturen.
Flexible Electronics Concepts erstellen innovative Konzepte und
Anwendungsbeispiele gedruckter Elektronik und Elektrik. Forscher der Daimler AG
präsentieren intelligente Textilien. Die nächste Generation
Antriebsbatteriezellen von Oxis Energy werden gedruckt sein oder mithilfe
druckähnlicher Verfahren hergestellt werden, genauso wie die flexiblen und
konformen CIGS Photovoltaikelemente an Solarbooten von Kopf Solarschiff.
Hinweis für technisch interessierte Leser oder
Techniker in der Motorradbranche:
Viele der oben genannten Unternehmen werden auf der Electric Vehicles - Land,
Sea, Air Europe 2011" präsentieren. Die Veranstaltung findet in Stuttgart,
Deutschland am 28. und 29. Juni statt. Begleitet wird die zweitägige Konferenz
von einer Ausstellung, optionalen Seminaren und Besuchen in regionalen
Kompetenzzentren für Elektromobilität am Tag davor und danach. Außerdem wird es
ein Investmentseminar und eine Preisverleihung geben. Mehr Informationen zur
Veranstaltung unter
www.IDTechEx.com/EVEurope.
Text: Dr Peter Harrop, IDTechEx
Teaserbild: KTM Freeride
Bericht vom 02.06.2011 | 3.552 Aufrufe