Michelin Road 5 Test 2018
Nachfolger des Pilot Road 4 heißt nur noch Road 5
Im sonnigen und 20 Grad warmen Andalusien präsentierte Michelin vor versammelten Pressevertretern aus aller Welt den neuen Road 5 Sporttouring-Reifen - der lang ersehnte Nachfolger des Verkaufsschlagers Michelin Pilot Road 4.

Die erste Hälfte des Tages galt es, den neuen Gummi auf trockener und nasser Rennstrecke herauszufordern, gefolgt vom flotten Praxistest am Nachmittag, welcher auf wunderbar kurvigen Landstraßen nördlich des Circuito Monteblanco durchgeführt wurde. Im folgenden Bericht erfahrt ihr, welche Neuerungen die 5. Auflage zu bieten hat, wie der Reifen sich fährt, und ob er nun wieder mit seinen jüngeren Hauptkonkurrenten von Continental, Metzeler und Co. mithalten kann.
Der Tag am Circuito Monteblanco begann selbstverständlich mit einer standesgemäßen und besonders stolz wirkenden Präsentation. Die interessantesten Inhalte stellten dabei die Erklärung der drei Hauptziele dar, welche Michelin bei der Entwicklung des Road 5 Reifens verfolgte:
Entwicklungsziele Michelin Road 5:
- Exzellenter Nassgrip
- Starke Nässeperformance auch noch nach 5000km Laufleistung
- Tadellose Haftung im Trockenen
Erstmals 3-D Drucktechnik
Das Resultat ist laut Michelin ein komplett neuer Reifen. So kommt - übrigens eine Premiere im Motorradreifen-Bereich - bei der Herstellung des Pneus beispielsweise eine 3D-Drucktechnik zum Einsatz, welche die Entstehung der neuen XST-Evo Lamellen überhaupt erst möglich macht. Diese sind nämlich hauptverantwortlich dafür, dass der Reifen auch nach höherer Laufleistung die selbe Performance im Nassen hinlegen kann, wie zu Beginn seiner Einsatzzeit. Die Idee dahinter ist recht simpel:
Die feinen Rillen weisen am unteren Ende eine Verbreiterung auf, optisch einem Schwalbenschwanz ähnelnd. Wenn die Lamellen des Reifens nun mit fortlaufender Abnutzung an Höhe und damit Volumen zur Verdrängung von Wasser verlieren, so wird dieser Verlust durch die Verbreiterung am unteren Ende wieder wettgemacht. Das ganze wurde für die mehr als 80 vor Ort anwesenden Journalisten recht anschaulich in Szene gesetzt und wie folgt unter Beweis gestellt:
Ein Michelin-Testpilot legte auf gewässertem Asphaltband sechs Vollbremsungen von 90 auf 0 hin, drei davon auf einer Suzuki mit neuen Road 4 Reifen, die andere Hälfte mit einer baugleichen Maschine auf 5000km alten Road 5 Gummis. Der Bremsweg mit der abgenützten Neuentwicklung war um bis zu zwei Meter kürzer.
Vollbremsung im Regen
Solch alte Reifensätze bekamen wir selbst nicht unter die Räder, aber die absolvierten Turns auf feuchtem Untergrund mit Triumph Street Triple RS und Yamaha MT-10 fühlten sich sehr vertrauensfördernd und erstaunlich wenig furchteinflößend an. Dass die Front der MT-10 beim jeweiligen Durchbeschleunigen nach Vollbremsung und Bremsung plus Ausweichhaken (es galt einen Smart aus Karton zu umkurven) auf der nassen Fahrbahn erschreckend leicht wurde, hat mich dabei am meisten beeindruckt. Der vorhandene Nassgrip ist enorm, wobei der raue Rennstreckenasphalt sicherlich auch seinen positiven Beitrag zu dieser Performance beigetragen hat. Ebenso wie ACT+ (Adaptive Casing Technology), die neben 2CT+ (Two Compound Technology) im Hinterreifen zum Einsatz kommt. Beides kennen wir übrigens schon aus dem Power RS, dort jedoch in anderer Abstimmung.
ACT+ und 2CT+ kommen nur im Hinterreifen zum Einsatz und werden vor allem die flotte und schräge Fraktion der Tourenfahrer erfreuen. Beide Maßnahmen sorgen für mehr Stabilität und besseres Feedback, welche im Vergleich zum Vorgänger für mich auch deutlich erfahrbar und spürbar waren. Drei Runden am Circuito Monteblanco auf einer Ducati Supersport fühlten sich nach einer halben Runde Aufwärmzeit (ca. anderthalb Minuten Fahrtzeit pro Runde) sehr souverän an, ebenso die danach folgenden drei auf der deutlich stärkeren BMW S1000XR.
Zwei-Komponenten-Technologie, 100 % Silica in der Mitte
Bei letzterer kam ACT+ stärker zu tragen. Das Kürzel beschreibt die Karkasse, welche in der Mitte des Reifens mehr Flexibilität zulässt, wodurch eine größere Auflagefläche entsteht, welche letztendlich für höhere Stabilität beim Geradeauslauf verantwortlich ist. An den Flanken allerdings wird die Karkasse im Inneren des Reifens zusätzlich hochgeschlagen, was bei hohen Schräglagen für mehr Stabilität und vor allem besseres Feedback sorgt. Das gleiche Resultat ruft die Zwei-Komponenten-Technologie mit dem Plus hervor. Das besondere daran ist jener Umstand, dass die härtere Gummimischung der Mitte unter der weichen Mischung an den Rändern des Pneus hindurchgezogen wird. Dort, in den Flanken des Reifens, findet man außerdem Russ in der Mischung, welche für besseren Heißgrip sorgt. Die härtere Mischung hingegen verwendet 100% Silica als Füllstoff, wodurch der Fahrer von geringerem Verschleiß und besserer Nassperformance profitieren kann. Weiters besitzen die Reifenschultern gar keine Profilrillen und weisen stattdessen eine durchgehende "Slickfläche" auf.
All das zusammen lässt den Road 5 bei flotter Gangart um ein Vielfaches souveräner performen als seinen Vorgänger. Wo der Road 4 vor allem bei starken Bremsungen beinahe wortwörtlich in die Knie geht und bei hohen Schräglagen ein ungutes Maß an Bewegung im Gummi - eine Art von "walken" - zulässt, ist beim Road 5 nichts dergleichen zu spüren.
Natürlich bleibt die Frage offen, wie sehr und vor allem wie lange die Reifen hart rangenommen werden dürfen. Die knappen sechs Minuten Vollgas auf dem Rundkurs, sowie zwanzig Minuten Kurvenhatz auf spanischem Asphalt ließen jedenfalls keinerlei Schwächen erspüren.
All jene, die sich nun aber vor allem bei der Slickfläche an den Reifenschultern fragend an den Kopf greifen und sich Sorgen um die gute Haftung in nassen Schräglagen machen, denen sei Folgendes versichert: Erst ab 35 Grad Neigungswinkel berührt der glatzerte Bereich den Asphalt, wobei immer noch ausreichend viele wasserverdrängende Rillen ebenso zum Einsatz kommen. Und mehr als 35 Grad fährt im Nassen kaum einer. Ich jedenfalls nicht.
Keine Änderung der Laufleistung
Hinsichtlich Abgrenzung zwischen dem Sporttouring- und dem Sportreifen aus dem französischen Clermont-Ferrand ist zu sagen, dass der Fokus beim Road 5 auf höherer Versatilität und Stabilität liegt, der Power RS hingegen ist in Sachen Agilität und Performance im Trockenen überlegen.
An der Laufleistung selbst sah Michelin übrigens keinen Bedarf zur Verbesserung, der 5er soll gleich lang bis zur 1.6mm Grenze brauchen, wie der 4er. Ebenso gleich wie beim Vorgänger sind die vorhandenen Dimensionen, zusätzlich gibt es bereits zwei Trail Varianten für Reiseenduros, weitere Größen folgen im Juni. Die GT Varianten für schwergewichtige Motorräder erscheinen im kommenden Jahr.
Alle gleich gut?
Michelin ist nun also wieder gleich auf mit der Sporttouring-Konkurrenz aus dem Hause Metzeler, Continental, Bridgestone und Co. Alle aktuellen Allrounder-Gummis performen auf ähnlich hohem Niveau, die Unterschiede dürften für die meisten von uns - ich schließe mich hier ein - nicht feststellbar sein. Somit wird die Wahl des passenden Pneus wohl noch stärker zur Glaubensfrage. Man darf gespannt sein auf die leidenschaftlich geführten Diskussionen am Stammtisch und in den sozialen Medien, wenngleich diese eher obsoleter Natur sind. Denn komplett falsch liegen kann man heutzutage mit keinem der namhaften Reifen mehr.
Text: Schaaf
Bericht vom 09.03.2018 | 136.841 Aufrufe