Kawasaki Versys 2010 |
Sehr steil, das Teil. |
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It's a new dawn, It's a new day, It's a new life, For me
(Michael Bublé, You know how i feel) |
Bei der Zuteilung der zu erledigenden Arbeiten bin ich
der eindeutige Glückspilz der 1000PS Redaktion. Während der Chef und seine
Lakaien nach Spanien mussten, um dort mit der BMW S1000RR ihre spärlich
vorhandene Rennstreckenperformance zu verbessern, durfte ich zur Präsentation
des 2010er Modells der Kawasaki Versys nach Sardinien fliegen. Es ist
hinlänglich bekannt, dass diese Insel aufgrund ihrer kurvigen Straßen und der
haftfähigen Asphaltbeschaffenheit als Dorado für Biker gilt. Deshalb wurde sie
ganz bewusst von den Verantwortlichen ausgesucht, um die Neuauflage der Versys
den aus ganz Europa angereisten Journalisten vorzustellen.
Im Falle der Versys definiert bereits der Name den
Einsatzzweck: Versatile (vielfältig) und System! Das heißt dann also, dass
die Kawasaki für alle Arten von Straßen, jede Art der Nutzung und für Anfänger
sowie Profis konzipiert wurde. Diese Einführung durch das Marketing schürte
erhebliche Erwartungen und führte dazu, dass die Meute der österreichischen
Journalisten als erstes das Buffet stürmten, allerdings nicht aus lauter Gier,
sondern um sich ordentlich zu stärken und die vor ihnen liegende Testaufgabe
nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen zu können. |
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19 Liter und kein Säufer. Tolle Reichweite. |
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Um den Verkauf der Versys anzukurbeln, wurde ihr optischer Auftritt erheblich
schnittiger gestaltet. Seitens Kawasaki Austria ist eine Verdoppelung der
verkauften Einheiten für 2010 gegenüber dem Vorjahr geplant. Die auffälligste
Änderung zum Vormodel besteht im neu gestalteten Scheinwerfer, der mit
den im Diamantdesign ausgeführten Blinkern für ein dynamischeres Aussehen sorgt.
Erinnert jetzt kaum mehr an einen menschlichen Schädelknochen. Am Heck sorgt das kantigere LED-Rücklicht für die optische Abgrenzung zum
Vorgängermodell. Die Ausstattung und Lesbarkeit der Armaturen sind japanischer
Standard. Einzig die Tankanzeige muss man durchschauen. Die ersten Balken
verschwinden sehr schnell und suggerieren dadurch einen hohen Verbrauch. Die
wegen meines ökologischen Gewissens aufgekommene Panik stellte sich als
unbegründet heraus, der 650er Twin ist kein Säufer.
Geringer Verbrauch und großer 19 Liter Tank sorgen für eine sehr
tourentaugliche Reichweite. In Verbindung mit der entspannten Sitzposition und
dem höhenverstellbaren Windschild wird bereits ein Aspekt der Vielfältigkeit
erfüllt. Tankstopps bleiben eine Seltenheit und machen Platz für ein ungestörtes
Fahrvergnügen mit langen Etappen. Die als Teststrecke ausgewiesene Route soll die Eigenschaften der Versys als Enduro, Touring und Naked Bike zum Vorschein bringen. Wir begannen
den Tag mit einer entspannten Landstraßenfahrt. |
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Hochwertigere Teile an allen Ecken und Kanten.
Die Tankanzeige irritiert allerdings. |
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Dabei schien die Versys ganz besonders in ihrem Element zu sein. Das Fahrwerk
bügelt fast jede Art von Unebenheit gerade ohne dabei schwammig oder instabil zu
wirken. Als angenehm habe ich auch empfunden, dass für den Fahrer fast keine
Vibrationen spürbar sind. Erreicht wurde dies beim 2010er Modell durch eine
Gummilagerung der Motoraufhängung.
Wobei ein beschauliches Dahingleiten weniger die technische, sondern vielmehr
die ergonomische Seite des Motorrades beansprucht. In dieser Disziplin leistet
sich die Kawasaki keinerlei Schwächen. Weder groß- noch kleingewachsene Fahrer
hatten etwas zu raunzen und das ist bei Journalisten wirklich nicht
selbstverständlich.
Um jeden Aspekt des Motorradfahrens testen zu können, wurden wir durch ein
Mittagessen über eine autobahnähnliche Etappe in die Stadt Cagliari gelockt.
Topspeed 195 km/h
Dieser etwas langweilige, fahrtechnisch wenig anspruchsvolle Abschnitt
offenbarte und das war sicher der durchtriebene Plan der Verantwortlichen
wie gut die Versys auf völlig unterschiedliche Anforderungen abgestimmt ist.
Stoische Gelassenheit auf mit Längsfugen versehenen Autobahnkurven und
blitzartiges Abbiegen oder Ausweichen im Stadtverkehr meistert die Versys mit
Bravour. Die Stunde der Wahrheit für das Versatile-Konzept schlug allerdings
erst nach dem Essen. Da jedes Bike mit einem Navi ausgerüstet war, konnten wir
die Heimreise nach unseren Vorstellungen gestalten.
Die langen Geraden in Richtung einer Hügellandschaft waren hervorragend
geeignet, um den Motor einer ernsthaften Prüfung zu unterziehen. Ich fuhr
Kilometer um Kilometer Vollgas und lag in einer möglichst aerodynamisch
gekrümmten Form auf der Kawa und das nicht, weil ich es so wollte, sondern nur,
um den Anschluss an meine Kollegen nicht zu verlieren. Schlussendlich konnte
nicht abschließend geklärt werden, wer den höchsten Top-Speed erreichte. Ich war
mir sicher, dass ich mit 194 -195 km/h den Spitzenwert für 1000PS holte. Der
böse Kollege eines Motorrad Magazins entpuppte sich allerdings als schlechter
Verlierer und behauptete, ich hätte ein leichtes Bergabstück zum Schwungholen
missbraucht. |
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Kein Fehler beim Wheelen: Lange Federwege.
150 mm vorne, 145 mm hinten. |
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Gummigelagerter Parallel Twin. |
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64 statt 72 PS wie in der Versys - nicht
langweilig. |
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In punkto Motor überraschte mich die Versys sehr positiv. Das von dem aus der
ER-6 bekannten und dort 72 PS starken Zweizylinders nur 64 PS übrig blieben, mag
zunächst enttäuschend klingen, aber obwohl auf mehr Durchzug getrimmt, kam bis
zum Drehzahlbegrenzer keine Langeweile auf. Jeder Gasbefehl wird spontan
umgesetzt und vermittelt einem das Gefühl, ein wesentlich stärkeres Motorrad zu
steuern. Gott sei Dank erreichten wir nach etlichen, mit Vollgas durchfahrenen
50 km/h Beschränkungen endlich kurvigeres Gelände. Dort angekommen, offenbarte
die Versys erstmals leichte Schwächen. Als einzig wirklich kritischen Punkt
empfand ich die Bremse und dabei im speziellen die Regelung des ABS. Starkes
Verzögern verlangt viel Handkraft und trotzdem bleibt die Wirkung eher lasch.
Das ABS löst meiner Einschätzung nach vorne sowie hinten viel zu früh aus,
verlängert dadurch den Bremsweg und erzeugt ein unangenehmes, weil heftiges
Pumpen an den Hebeln. Im Bezug auf Ansprechverhalten und Wirkung verhielt sich
das Modell ohne ABS ebenfalls nicht besser. Das müsste im 21. Jahrhundert anders
zu lösen sein. Ob es politisch korrekt ist darf bezweifelt werden, aber die
600,-- Euro Aufpreis fürs ABS könnte man vermutlich auch besser investieren.
Obwohl sich die Einstellmöglichkeiten am Fahrwerk auf das Notwendigste
beschränken, zaubert einem die gelungene Grundabstimmung der Versys bei
gefechtsmäßiger Fahrt durch das Winkelwerk ein Lächeln ins Gesicht. Das
fröhliche Lachen gefror mir leider zu einer Fratze, als ich merkte, dass sich
keiner meiner Gegner abhängen ließ. Das wieselflinke und zielgenaue
Fahrverhalten lässt die Kawasaki fast ohne Kraftaufwand durch jede gemeine
Kurvenkombination tanzen. |
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Dezentral angeordnetes Federbein, geschwungene Schwinge,
versteckter Zigarrenauspuff. |
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600 Euro könnte man auch besser
investieren. |
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Da kommt schon fast Supermoto-Feeling auf. Für Fahrten zu zweit oder mit Gepäck
kann man die Federvorspannung vorne und hinten einstellen und so das Motorrad
dem Beladungszustand anpassen. Ganz schnell aufeinander folgende Kurven mit
entsprechenden Brems- und Beschleunigungsmanövern bringen dann doch ein leichtes
Schaukeln ins Fahrwerk. Dieses Fahrverhalten ist typisch für Motorräder mit
etwas größerem Federweg und daher keinesfalls ungewöhnlich. Es wird jedoch
selbst bei forscher Gangart nie kritisch. Im Gegenteil, es teilt dem Fahrer auf
sehr subtile Art mit, wann Schluss mit lustig ist.
Fazit:
Bei der Kawasaki Versys stimmt das Preis/Leistungsverhältnis wie sonst bei kaum
einem Motorrad. Der Spagat zwischen Verarbeitungsqualität, Vernunft und Spaß ist
nicht immer leicht zu schaffen. Er wurde aber durch oder gerade wegen dem Versatilem
System sehr ansprechend umgesetzt. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die
Versys in ihrer Klasse 2010 die Maßstäbe setzen wird, denn sich raucht nicht
nur, sondern hat auch Feuer. |
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Hier gehts zur 360°
Ansicht der Kawasaki Versys |
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Kawasaki Versys 2010
Farben |
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Kawasaki Versys 2010
Technische Daten |
Motortyp |
Flüssigkeitsgekühlter Viertakt-Reihenzweizylinder |
Hubraum |
649 cm³ |
Bohrung x Hub |
83 x 60 mm |
Verdichtungsverhältnis |
10.6:1 |
Ventil-/Einlasssystem |
DOHC, 8 Ventile |
Maximale Leistung |
47 kW (64 PS) bei
8.000/min |
Maximales Drehmoment |
61 Nm (6,2 kpm)
bei 6.800/min |
Kraftstoffzufuhr/Vergaser |
Kraftstoff-Einspritzung: ø38 mm x 2 (Keihin) |
Zündung |
Digital |
Starter |
Elektrostarter |
Getriebe |
Sechsganggetriebe |
Rahmentyp |
Diamantrahmen aus
hochfestem Stahl |
Nachlaufwinkel/Nachlauf |
25°/108 mm |
Radaufhängung, vorn |
41-mm-Upside-down-Teleskopgabel mit (rechtsseitiger) stufenlos
einstellbarer Zugstufendämpfung und einstellbarer Federvorspannung |
Radaufhängung, hinten |
Seitlich
montiertes Einzelfederbein mit 13-fach einstellbarer Zugstufendämpfung
und 7-fach einstellbarer Federvorspannung |
Radfederweg, vorn |
150 mm |
Radfederweg, hinten |
145 mm |
Reifen, vorn |
120/70ZR17M/C
(58W) |
Reifen, hinten |
160/60ZR17M/C
(69W) |
Bremse, vorn |
semi-schwimmend
gelagerte 300-mm-Doppelscheibenbremse im Petal-Design
Doppelkolben-Schwimmsättel |
Bremse, hinten |
220-mm-Scheibenbremse im Petal-Design Einkolben-Schwimmsattel |
Lenkwinkel, links / rechts |
35 Grad/35 Grad |
Abmessungen (L x B x H) |
2.125 mm x 840 mm
x 1.315 mm |
Radstand |
1.415 mm |
Sitzhöhe |
835 mm |
Tankinhalt |
19 Liter |
Gewicht fahrfertig |
206 kg (209 kg mit
ABS) |
Verkausfpreis Österreich | € 8.799,- |
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Interessante Links:
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Text: Grammer
Fotos: Kawasaki |