KTM RC8 Superbike
IDM Superbike |
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Der Druck auf die KTM Rennfahrer war gross. Die Presseabteilung lud Journalisten zum Finale der IDM am Hockenheimring (11. bis 13. September). Die Schreiberlinge sollten die Heldendaten der KTM Racer bestaunen und am nächsten Tag selbst kräftig am Kabel des IDM Superbikes ziehen. Eines vorweg: Es läuft selten alles nach Plan. |
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Klaus Grammer fuhr selbst schon einige IDM Läufe und ist als einziger bei 1000PS in der Lage hier zu glänzen. Sein Bericht: KTM organisierte die Tickets und die Unterkunft, was auch blendend funktionierte. Nur die Anreise, für die ich verantwortlich war, ging gründlich in die Hose. Ich erreichte den Hockenheimring mit Hilfe meines Navigationssystems in dem ich die letzten 5 km auf einem geschotterten Radweg durch die Wälder rund um den Ring zurücklegte und dabei mehrere Fahrverbotsschilder übersah. Gott sei Dank waren am Sonntag Morgen nicht allzu viele Biker und Läufer unterwegs und die paar, die mir entgegen kamen, machten einen durchaus überraschten Eindruck und begrüssten mich freundlich mit erhobenem Finger. Zu guter Letzt brach ich vor der Haupteinfahrt zum Fahrerlager direkt hinter einer Zufahrtskontrolle aus dem Wald und drang deshalb mit meinem PKW unbehelligt bis ins Fahrerlager vor. Dieses durchaus seltsame Vorgehen passiert sonst eher meinem geschätzten Kollegen Kot von 1000PS. |
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Der Auftritt der KTM-Truppe lässt an Professionalität nichts zu wünschen übrig. Vom Truck bis zur Boxeneinrichtung ist alles perfekt durchgestylt. Man merkt, dass hier kein Importeur, sondern das Werk in Mattighofen die Finger im Spiel hat. Das Team unter der Leitung von Konrad Hefele umfasst ca. 15 Personen für die Renn- und Testeinsätze. Die ursprüngliche Fahrerbesetzung des Teams bestand aus Stefan Nebel und Didier van Keymeulen, der sich Mitte der Saison eine Kahnbeinverletzung zuzog, die ihn an der Teilnahme an den letzten Rennen hinderte. Er wurde von Kai-Borre Andersen ersetzt. |
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Nebel und van Keymeulen |
KTM Factory Racing |
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Das KTM IDM Team 2009 |
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Nach dem Zeittraining sah es für das KTM
Superbike Team nicht schlecht aus. Kai-Borre Andersen belegte Platz 4,
Stefan Nebel Platz 8 und Jeremy McWilliams auf der Akrapovic-KTM Rang
11. |
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1. Rennen: |
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2. Rennen: |
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Gestürzte Helden | Könnte der Grund für den höllischen Lärm gewesen sein. |
Das Rennen wurde über eine Distanz von 9
Runden ein zweites Mal gestartet. In der Addition beider Läufe
drehte Jörg Teuchert den Spiess um und gewann vor Martin Bauer. Dritter
wurde der tschechische Gaststarter Matej Smrz. Der blendend gestartete
Andi Meklau vergab seine Chancen auf eine Top-Platzierung durch einen
Sturz in Runde 2. |
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Nebel, der sich bei KTM sichtlich wohl fühlt
und sowohl seine Test- als auch Rennaufgaben mit grossem Engagement
erledigt, möchte nach seinen eigenen Angaben in der Saison 2010 mit der
RC8 R um den Titel in der IDM Superbike mitkämpfen. Photo rechts: Stefan Nebel |
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KTM-IDM Superbike Test |
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Interview mit Wolfgang Felber - Leiter des RC8 Projektes |
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1000PS: Wie lange dauert
der Aufbau einer Rennmaschine? Felber: Wenn alle Teile vorhanden sind, kann ein Superbike von einem versierten Mechaniker in einer Woche aufgebaut werden. Danach verfügen die vier im Team verwendeten Motorräder über praktisch idente Motorleistung. 1000PS: Ihr betreibt über ein separat agierendes Testteam, warum? Felber: Weil das Reglement nur homologierte Teile zulässt und dadurch im Rennteam keine Weiterentwicklung des Motors möglich ist. Daher ist das Hauptbetätigungsfeld die Verbesserung der Elektronik. Um dem Problem der eingeschränkten Entwicklungsmöglichkeit des Motors zu begegnen wurde ein eigenes Testteam auf die Beine gestellt. Dort werden jene Teile ausprobiert und aussortiert, die KTM in den Folgejahren für die Serien-RC8 und somit für die Homologation benötigt, um die Performance weiter zu steigern. |
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Wolfgang Felber - Leiter des RC8 Projektes |
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Das KTM Testteam bei der Feinarbeit | |
1000PS: Das hört sich gut aber auch teuer an. Kann man diese Kosten in Zeiten der Krise rechtfertigen? | |
Felber: Das kann ich ganz klar bejahen die Ausgaben rechnen sich. Die Kosten für den Superbike-Einsatz reduzieren unmittelbar den für die Serienentwicklung notwendigen Aufwand. Wir haben die Deutsche Meisterschaft als Betätigungsfeld für unser Superbike-Engagement ausgewählt, weil genau dieses dort vorhandene Reglement den grössten Synergieeffekt im Hinblick auf die Serienentwicklung erzielt. | |
1000PS: Wie und in welchem Ausmass kann der Hobbyglüher am Erfolg des RC8 Rennmaschine mitnaschen? | |
Felber: Wir von KTM sind bemüht,
entsprechend unserer Ready to race Philosophie die entwickelten
Leistungsteile direkt über Power Parts unseren Kunden zur Verfügung zu
stellen. (Link
zum Power Parts Katalog) Für den Motor gibt es 3 Kit-Stufen vom Clubrace-Kit bis zum reinrassigen Superbike-Motor-Kit. Weiters bieten wir den von uns verwendeten Gabelumbau und das Federbein sowie eine ganze Menge an rennsportrelevanten Kleinteilen an, um nur das wichtigste zu nennen. |
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Interview mit Konrad Hefele - Teamchef |
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1000PS: Zuerst gratulieren wir zum
Vize-Meistertitel in der IDM-Superbike. Bist Du zufrieden? Hefele: Grundsätzlich hätten wir dieses Ergebnis in einer so hart umkämpften Meisterschaft wie dieser in unserem Premierenjahr nicht unbedingt erwartet. Daher sind wir natürlich zufrieden. 1000PS: Dann kann das Ziel fürs nächste Jahr nur mehr der Titel sein? Hefele: Genau! Wir werden unsere konsequente Test- und Entwicklungsarbeit in gewohnter Manier fortsetzen und haben mit Stefan Nebel auch einen sehr erfahrenen Piloten, der viel zur Entwicklung beitragen kann. |
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Konrad Hefele - Teamchef |
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1000PS: Hältst du die KTM für stark genug, um damit den Titel einzufahren? | |
Hefele: Selbstverständlich! Leistungsmässig sind wir absolut dabei, nur die BMW scheint im Moment etwas stärker zu sein. | |
1000PS: Von wie viel Leistung sprechen wir und wie konkurrenzfähig seid ihr in punkto Gewicht? | |
Hefele: Wir haben 190 PS bei 10.500 Umdrehungen. Um die 170 kg zu erreichen, die im Reglement vorgeschrieben sind, müssen wir 8 kg zuladen. Dieses Zusatzgewicht verteilen wir je nach Wunsch des Fahrers an verschiedenen Stellen des Motorrades, um das Fahrverhalten dadurch zu beeinflussen. | |
1000PS: Wie gross sind die Unterschiede in der Abstimmung zwischen den Pirelli bereiften Red Bull KTMs von Stefan Nebel und Kai-Borre Andersen und der Dunlop bereiften Akrapovic KTM von Jeremy McWilliams? | |
Hefele: Die grössten Anpassungen mussten wir bei der Fahrwerksgeometrie vornehmen, weil der Dunlop vorne höher und hinten niedriger baut als der Pirelli. Ausserdem änderten wir Federraten und Dämpfungseinstellungen, wobei dies auch auf die Vorlieben der Fahrer zurückzuführen ist. | |
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Akrapovic Strassen- und Rennversion |
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Es schiesst aus den Ecken |
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Meinen ersten planmässigen Turn um 10.15 Uhr
durfte ich mit der Strassenversion der RC8 R Akrapovic auf dem langen
Kurs in Hockenheim absolvieren. Die ersten Runden verbrachte ich damit,
die kalten Reifen auf Temperatur zu bringen, was jedoch sofort auffiel,
war die super dosierbare Vorderbremse. Sie verlangt zwar einiges an
Handkraft, dafür entschädigt sie aber mit einer für eine Serienbremse
ausserordentlichen Verzögerungsleistung. |
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Die KTM verfügt über keine mechanische Anti-Hopping-Kupplung. Das unerwünschte Stempeln des Hinterrades beim harten Anbremsen und Herunterschalten wird durch elektronisches Öffnen der Drosselklappen auf ein Minimum reduziert. Vor der Spitzkehre muss man hart anbremsen und vom 6. in den 2. Gang zurückschalten. Dabei hat man ausreichend Gelegenheit die Funktion des Systems zu überprüfen. Einzig das Durchfahren eben solcher Spitzkehren erfordert erhebliches Fingerspitzengefühl, denn bei niedrigen Kurvengeschwindigkeiten reagiert die KTM auf Lastwechsel sehr kippelig. Sie will mit Zug durch die Kurve gefahren werden. Offensichtlich liegen ihre Stärken eher in der Stabilität bei schnellen Kurven. Dort wird man mit ihr eine Menge Freude haben, weil sie jede Korrektur der Linie mit stoischer Gelassenheit hinnimmt. |
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Um 11.15 Uhr konnte ich mit der Dunlop bereiften McWilliams RC8 R auf die Strecke gehen. Ich erwartete naturgemäss ein starkes und rennstreckenoptimiertes Motorrad, so wie ich es kenne. Was ich jedoch fahren durfte überraschte mich nicht, es schockierte mich eher. Dieses Motorrad hat mit einem Serienbike nichts mehr zu tun. Die kleinste Bewegung am Gasgriff wird unmittelbar in massives Drehmoment am Hinterrad umgewandelt. |
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KTM V2 Kraftwerk |
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Das Motorrad schiesst aus den Ecken, dass
es einem schwer fällt rechtzeitig den nächsten Gang einzulegen. Die KTM
wheelisiert nicht, sie haut Dir den Lenker ins Gesicht. Von den
vermutlich gut ablesbaren Racing-Armaturen konnte ich leider nur
manchmal den Schaltblitz aus den Augenwinkeln erkennen. Die angegebenen
190 PS halte ich daher keinesfalls für übertrieben. |
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Armatur in der SBK | Rennsport im 21. Jahrhundert |
Das zu starke Durchdrehen des Hinterrades wird durch sanftes Zurücknehmen der Motorleistung verhindert und ermöglicht es dem Fahrer sich gefahrloser an das Griplimit des Reifens heranzutasten, was im Endeffekt zu einer Verbesserung der Rundenzeit führen wird. Wobei der Highsider von Stefan Nebel am Sonntag zeigt, dass selbst die beste Elektronik nicht jeden Fehler korrigieren kann. |
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Ein Blick auf die Datenaufzeichnung von Stefan zeigt auch, dass dieser am Kurveneingang gleichzeitig die Vorderbremse, die Hinterbremse mittels Daumen und die Kupplung bedient, um die KTM auf dem gewünschten Radius in die Kurve zu werfen. | |
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Hinterradsensor Traktionskontrolle | Daumenbremse |
Die Techniker können die
Motorbremswirkung genau auf dieses Verhalten abstimmen, um das
sturzgefährliche Schieben über das Vorderrad zu verhindern. Generell wird mittels Elektronik die Leistungsentfaltung auf jeden einzelnen Gang und auf jede Kurve der jeweiligen Rennstrecke abgestimmt. Die schon beim Serienmotorrad sehr gute Bremse wird mit Hilfe von im Gegensatz zu den Serienscheiben um 0,5 mm dickeren Brembo-Scheiben zu einem Zweifinger-Stopper, den sich jeder Racer wünschen würde. |
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Das Fahrwerk steht dem Motor um nichts nach. Eine schier unheimliche Stabilität am Kurveneingang und in schnellen Kurven zeichnet dieses Motorrad aus. Das etwas kippelige Fahrverhalten des Serienmotorrades konnte ich beim IDM Superbike nicht mehr feststellen. Die Wechselkurven im Motodrom müssen allerdings mit einigem Kraftaufwand durchfahren werden, was im Hinblick auf das stabile und damit berechenbare Fahrverhalten von den meisten Rennfahrern gerne in Kauf genommen wird. | |
Fazit |
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KTM hat einen super Job gemacht und eine
reinrassige Rennmaschine auf die Räder gestellt. Ich glaube, dass ich
noch nie mit einem besseren Rennmotorrad gefahren bin, jedoch verlangt
sie einem Fahrer alles ab. Jede Bewegung des Körpers, jeder Druck auf
die Fussrasten und den Lenker wird vom Motorrad 1 zu 1 umgesetzt.
Weder der Motor noch das Fahrwerk verzeihen Fehler des Piloten.
Hervorragende physische Fitness und entsprechendes Fahrkönnen erscheinen
mir unerlässlich, um auf diesem Motorrad Spass zu haben. Vor der grossen
Power-Parts-Bestellung, sollte also auch eine Jahreskarte im
Fitnesscenter gelöst werden. |
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Text: Klaus Grammer |
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Bericht vom 23.09.2009 | 16.341 Aufrufe