Wirtshausrunde

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Wer hat schon Zeit für eine Motorradtour, geschweige denn eine -reise? Wirtshausrunde am Freitag.

Wirtshausrunde

Eine Nachmittags-Runde für Leute, die wenig Zeit haben.

 
Und wieder ist Freitag. Frühschluss. Mittags. Für Lohnempfänger und für Chefs. Weil: Das Wetter ist schön. Und es muss (mehr) Motorrad gefahren werden. Also trifft sich eine sogenannte Herrenrunde es sind auch Damen dabei, wenn auch meistens höchstens zwei immer (wieder) freitags um dieselbe Zeit bei immer derselben Tankstelle. Manchmal kommen nur zwei, manchmal sogar neun. Die gefahrenen Gerätschaften reichen von der 690er-Duke bis zur K1200S. Oft ist jemand dabei, der immer einen anderen Bock treibt, in der Leistungsspannweite zwischen 50 und 190 PS ist alles drin. Man sieht, das Starterfeld ist ausgewogen.
 

Treffpunkt Shell-Tankstelle Hadikgasse: Freitags-Herrenrunde, die unweigerlich zum Topfenstrudel führt.

Die Route führt gewöhnlich über Forsthof wenn es nicht ausnahmweise über den Schöpfl geht.

 
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Es gibt eine ganze Menge Leute
, die zwar mit Begeisterung Motorrad fahren, aber wenig Zeit dafür haben. Sei es wegen Job, sei es wegen Familie, sei es weshalb auch immer. Solche Zeitgenossen, wie die Herrenrunde, kommen, wenns hoch kommt, auf eine, vielleicht zwei Wochen im Jahr, um zweirädrig auf Touren zu gehen. Hin und wieder geht sich grad noch ein Rennstrecken-Tag aus. Doch was macht man zwischen Urlaub und Race-Track? Was tut man, um nicht einzurosten und nicht aus der Übung, sprich Routine zu kommen? Die Lösung: an der Freitags-Herrenrunde teilnehmen!
 

Das Wirtshaus auf der Klammhöhe lassen wir am Freitag aus, es kommt dafür am Samstag oder Sonntag dran.


So sehr die Teilnehmer-Zahl variiert, so fix ist die Route.
Im Groben: Wien Hainfeld Kalte Kuchl Klausen-Lepoldsdorf Wien. Die Wegpunkte sind seit Jahren festgelegt. Das sind ganz bestimmte Wirtshäuser, die zum Großteil ausschließlich freitags angefahren werden. Dass es sich bei der Generalroute um eine der Haupt-Hausstrecken der Wiener handelt, erklärt sich aus der Tatsache, dass man sie an einem halben Tag locker bewältigen kann. Es mag schon vorkommen, dass der eine oder andere Wirtshausrunden-Mitfahrer gegen Saison-Ende zu maulen beginnt: Könnten wir nicht einmal woandershin fahren? Aber wenn der Freitag naht, grüßt auch das Murmeltier, und wenn wir uns auf die Räder machen, sind alle wieder mit der Standard-Runde einverstanden (wobei ja doch die eine oder andere Variation drin ist).
 

Stress-Abbau mit Variationen: Der Schüller bei Hainfeld hat außer Kaffee & Kuchen im Garten noch viel mehr Köstliches - zu bieten.


Auftakt ist der übliche Freitagnachmittags-Stau
auf der Westausfahrt. Die erste Geschicklichkeitsprüfung: Wer wedelt eleganter zwischen den Kolonnen durch. Auf der Westautobahn gehts bis Pressbaum. Da wird trotz voheriger gegenteiliger Ankündigung Heute werden wir vorschriftsmäßig fahren! zum ersten Mal gepresst. Im Ortsgebiet sind dann (fast) immer alle brav. Angedrückt wird erst wieder nach den letzten Häusern. Dann aber heftig. Im Wald ist es naturgemäß recht düster, und der Fahrbahnbelag stellenweise höchst zweifelhaft. Was erst dann auffällt, wenn die Räder durchdrehen oder einem der Splitt um die Ohren fliegt. Doch bisher ist immer nur der geflogen.
 
In Klausen-Leopoldsdorf-Zentrum gehts nach rechts, entweder über Forsthof nach Laaben oder über den Schöpfl. Beide Wege führen über Klammhöhe. Beide sind fahrtechnisch nicht wahnsinnig anspruchsvoll, landschaftlich aber eindrücklich. Wenn es der Ehrgeiz, am Vordermann oder der Vorderfrau dranzubleiben zulässt, einen Blick in die Gegend zu werfen.

Auf den letzten paar hundert Metern vor Hainfeld machen sich Wochenstress und die Vor-Wochenendmüdigkeit stark bemerkbar. Also muss eingekehrt werden. Beim Schüller. Der liegt so praktisch am Wegrand und hat auch einen schönen Garten mit Blick auf die Straße. Das Einkehren erfolgt aus verschiedenen Gründen. Die einen müssen Kaffee tanken, die anderen brauchen eine Jause, manche wiederum schauen der Kellnerin so gerne beim Hüftenschwingen zu.

Nach der Stärkung folgt die Roll-Prüfung durch Hainfeld: 70 50 Ampel 50 70 100 70, bis zur Abzweigung in Richtung Zell und Kalte Kuchl, die Direttissima zum gleichnamigen Wirtshaus. Zum ersten Teil der Strecke Andrücken mit halbwegs gutem Gewissen im ersten, Andrücken mit schlechtem Gewissen im zweiten Abschnitt - gibts eine Alternativ-Route. Die führt durch die Ramsau. Die kann aber haarig sein. Nicht, weil die Strecke so selektiv ist, sondern weil sie direkt an der Übungs-Driving Range des örtlichen Golfplatzes vorbeiführt. Könnte einem Golf-Lehrling ja einmal die Kugel auskommen und sie einem grad vorbeifahrenden Eisenreiter geben. Eine weitere Challenge: Hier sind die Ideallinien immer mit Schotter und Splitt gewürzt.

 
Man befindet sich nämlich auf des Rallye-Meisters Franz Wittmann (& Co.) Haus- und Trainingsstrecke. Aber Obacht: Nicht jeder Lenkrad-Dreher, der hier einen auf schnell macht, ist ein Wittmann.
 
 
Auf welchem Weg auch immer wir in die Kalte Kuchl gelangen: Das Ankunfts-Zeremoniell ist Murmeltier-verdächtig, weil immer dasselbe: Würdig einrollen, schauen, ob wer schaut, einen Parkplatz in der vordersten Reihe suchen, unter keckem Geplauder einen Überblicks-gewährenden Sitzplatz entern. Und dann das Einser-Menü ordern. Ob kleiner oder großer Topfenstrudel, ob kleiner oder großer Kaffee, das ist egal. Hauptsache überhaupt. Manchmal isst einer auch ein Schnitzel. Oder einen Wurstsalat. Vorher.

Wie es nach der Topfenstrudel-Vernichtung weiter geht, das kommt auf die Jahreszeit an. Wenn es, wie im Hochsommer, lang hell ist, geht sichs über den Ochsattel einmal hin und wieder zurück locker aus. Für Böcke mit kleinem Tank und/oder großen Durst liegt die Bedienungs-Tankstelle auf der Straße nach St. Ägyd am Neuwalde grad praktisch richtig.

Bis Kleinzell darf man noch Gas geben, danach sollte ein Siebziger das höchste der Gefühle sein. Also: Umschalten auf Landschaft genießen.


Dort würde man uns durchaus auch einen Kaffee servieren. Das ist aber für Samstag oder Sonntag reserviert.
 
Wenn dann immer noch Zeit übrig ist, entweder weil wir schnell getrunken & gegessen haben oder auch schnell gefahren sind, darf auch das Höllental herhalten. Einmal hin und zurück. Immer wieder nehmen wir uns vor, an der Schwarza eine Rast einzulegen und die Füße ins kalte Wasser zu halten. Das haben wir noch nie geschafft. Schließlich muss gefahren werden.

Und schließlich muss auch zurück nach Wien gefahren werden. Oft schwanken wir zwischen Rohrer Sattel und Haselrast, um nach Gutenstein zu kommen. Erstere Route ist zwar flotter, aber wenn das möglich wäre - mit Tarnkappe oder Anti-Radar-Impfung in Angriff zu nehmen. Bekanntlich dürfen dort nur Autos einen Hunderter fahren, für Motorräder gilt ein öder Siebziger. Das führt immer wieder zu lustigen Situationen, wenn zum Beispiel einer der örtlichen GTI- oder Civic-Treiber meint, er könne Motorradfahrer legal herzubrennen versuchen. Was in den meisten Fällen misslingt, weil man ja grundsätzlich nicht nachgibt. Den Lieblingspark- und -standplatz der amtlichen Blitzer kennt man zwar, aber die stehen listigerweise manchmal auch ganz woanders. Eine echte Challenge. Fürs Geldbörsel und/oder den Deckel. Die Haselrast hingegen ist eine kleine, feine Bergwertung. Aber nicht gar schnell zu durchpfeilen, weil eng und winkelig mit reichlichen Schotter-Gaben zu jeder Jahreszeit. Dafür steht da so gut wie nie ein Amtskappel am Wegesrand.

Die netteste Verbindung zwischen Pernitz und Pottenstein führt danach über den Hals. Ein schmales und stilles Sträßchen, streckenweise zwar mit Bitumenstreifen gespickt, auf der Ideallinie versteht sich, aber idyllisch und in der Regel wenig befahren. Von Autos.

Die Kalte Kuchl ist am Freitag selten so dicht besetzt wie am Wochenende, das kleine Einser-Menü ist immer das gleiche.


Gewöhnlich gehts dann weiter über Bernstein nach Bad Vöslau, eine kleine Geduldprobe, dann nach Baden und durchs Helenental, wieder nach Klausen-Leopoldsdorf. Natürlich immer im legalen Bereich, mit einer Gedenkbremsung in Mayerling, für den Kronprinzen Rudolf.
 

Das dritte und letzte Fix-Wirtshaus
der Runde ist der Klausnerhof Haidbauer: Hier wird entweder wieder Kaffee geordert oder eine kleine Sünde für zwischendurch. Sehr bewährt hat sich die Kombination Schinken-Käse-Toast mit viel Ketchup und Apfelsaft gespritzt. Die Wirtin kennt uns schon. Sie hat ihre Freitags-Uhr auf die Herrenrunde eingestellte. Jedem sein eigenes Murmeltier.  
 

Zum Abschluss der Runde gilt freies Fahren
, entweder über Hochstrass oder via Pressbaum zur Autobahn. Da haben dann alle stark Herzklopfen. Man darf sich aussuchen, ob wegen der vielen Kaffees oder wegen der Angst vor Wegelagerern oder wegen der Nachwirkungen des gnadenlosen Andrückens, auf das es trotz aller vorheriger Vernunft-Beteuerungen am Ende immer hinausläuft.
 

Das ist die, die das Höllental gegraben hat: die Schwarza. Manchmal kühlen wir darin heiße Füße und Köpfe.


Im übrigen: Diese Tour kennt fast keine Jahreszeit
(außer der Schnee liegt meterhoch). Denn so wie man sommers die Kaffee-Stopps zum Abkühlen nutzen kann, so kann man in kälteren (und feuchteren) Jahreszeiten sich in den guten Stuben gut aufwärmen. Die Etappen sind kurz genug. Und als Wiener ist man nie allzu weit von zu Hause weg. Egal, auf welchem Bike; sei es die Kawasaki Versys, oder die Honda CB1000R. Diese beiden haben heuer die Runde besonders intensiv kennengelernt. Beide haben sie exzellente Figur gemacht - im Nassen, im Trockenen, im Heißen und im Kalten.
 
 
 

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Text: Trixi Keckeis
Fotos: Trixi Keckeis

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Bericht vom 02.09.2008 | 6.057 Aufrufe

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