Royal Enfield Shotgun 650 im Test
Wie fährt die Royal Enfield Shotgun 650 bei der Balkan Rally?
Die Royal Enfield Shotgun 650 hat die 1000PS-Crew während der Balkan Rallye 2024 im Sturm erobert. 2500 Kilometer, von Budapest bis zur Bucht von Kotor und zurück nach Wiener Neustadt. Ein Motorradtest der anderen Art – mit Wind, Regen und purer Entschleunigung.
Royal Enfield Shotgun 650: Ein Cruiser für Puristen im Härtetest der Balkan Rallye
Es gibt Motorräder, die dich blitzschnell an die Grenze der Schwerkraft bringen. Und dann gibt es die Royal Enfield Shotgun 650. Ein Motorrad, das dich einlädt, das Leben in Zeitlupe zu erleben gemächlich durch malerische Landschaften zu cruisen, während du die Welt um dich herum in all ihrer Ruhe aufsaugst. Das klingt ja erstmal nach einer durch und durch friedlichen Geschichte, oder? Doch bevor du jetzt glaubst, die Shotgun sei nur etwas für die gemütliche Fahrt zum Eiscafé, lass uns über die Balkan Rallye 2024 sprechen.
Die Balkan Rallye: 2500 Kilometer Abenteuer
Von Wien nach Budapest, weiter durch die zerklüfteten, atemberaubend schönen Landschaften des Balkans bis zur Bucht von Kotor und zurück nach Wiener Neustadt. 2500 Kilometer, sieben Tage, verschiedenste Witterungsbedingungen von brütender Hitze bis zu eiskaltem Regen und alles im Sattel der Royal Enfield Shotgun 650. Ja, du hast richtig gelesen: Ein Motorrad, das äußerlich aussieht wie eine Zeitreise in die 60er Jahre, hat sich in einem modernen Langstreckenabenteuer bewährt. Und wie hat sie sich geschlagen? Überraschend gut, wenn auch mit einigen Ecken und Kanten.
Der Motor: Gemütliches Dahingleiten mit 47 PS
Die Shotgun 650 wird von einem 648 cm³ Parallel-Twin angetrieben, der 47 PS bei 7250 U/min leistet. Auf dem Papier klingt das vielleicht nicht spektakulär, aber was die Royal Enfield ausmacht, ist nicht ihre Leistung es ist das Gefühl, das sie dir vermittelt. Philipp Bednar, einer unserer Fahrer während der Rallye, brachte es auf den Punkt: Das Motorrad lädt nicht dazu ein, schnell zu fahren. Es ist ein Cruiser, wo man einfach auf der Drehmomentwelle dahin surft. Und genau das tut sie auch du wirst nicht gezwungen, die Straße zu erobern, sondern darfst sie genießen.
Die entspannte Leistung ist perfekt für jene, die einfach dahingleiten wollen. Aber was ist, wenn du doch mal mehr willst? Nun, dann wird es knifflig. Bei 150 km/h ist Schluss und um dorthin zu kommen, braucht die Shotgun ihre Zeit. Auf der Autobahn muss man schon immer Vollgas geben, damit da was weitergeht, beschreibt es Philipp treffend. Trotzdem: Für den täglichen Stadtverkehr oder entspannte Landstraßen ist der Motor genau richtig.
Was ist die Balkan Rally?
Die Balkan Rallye ist keine gewöhnliche Motorradtour, sondern eine Mischung aus Abenteuer, Retro-Charme und exklusivem Genuss. Ursprünglich für Oldtimer-Automobile konzipiert, hat sich die Veranstaltung im Laufe der Jahre auch für klassische Motorräder und Retro-Bikes geöffnet. Der Startschuss fällt traditionell in Budapest, von wo aus die Teilnehmer über malerische Routen durch den Balkan bis zur Küste in der Region Kotor fahren. Die Veranstalter setzen dabei auf höchsten Komfort die Etappen enden stets in ausgesuchten, luxuriösen Hotels. Begleitet von einem Espresso-Mobil und abendlichen Champagner- und Weinverkostungen, bietet die Rallye ein stilvolles Rahmenprogramm, das den Austausch mit Automobil- und Motorrad-Enthusiasten fördert. Doch das ist längst nicht alles: Während der täglichen Etappen müssen die Teilnehmer ihre Ankunftszeit durch das Lösen von Rätseln und das Meistern von Foto-Challenges ermitteln. Zu schnell oder zu langsam zu fahren, bringt Strafpunkte ein es geht also um die perfekte Balance. Trotz des automobilorientierten Fokus der Rallye fühlen sich die Motorradfahrer in der Runde willkommen, denn die entspannte Atmosphäre und die vielfältigen Aufgaben machen die Rallye zu einem einzigartigen Erlebnis, das weit über eine gewöhnliche Tour hinausgeht. Auch 2025 wird die Balkan Rallye wieder mit neuen Routen und Herausforderungen aufwarten ein Event, das auf der Bucket-List jedes Retro- und Motorrad-Liebhabers stehen sollte.
Hier weitere Informationen zur Rallye.
Die Ausrüstung der 1000PS Crew für die Balkanrally 2024
Die gesamte Crew setzte bei der Reise auf lässige Retro-Style Klamotten von Held. Besonders erwähnenswert ist dabei der Sirmione Gore Tex Sneaker oder auch die leiwande Lederjacke Jester.
Wir verwendeten für alle Motorräder die selbe Gepäcklösung: Die Legend Gear Hecktasche von SW-Motech. Diese bietet vielfältige Befestigungsmöglichkeiten und ist sehr günstig und kompakt. Die Tasche hat auf 8 verschiedenen Bikes jeweils fast 3.000 km bei widrigen Wetterbedingungen durchhalten müssen!
Vor der Rallye imprägnierten wir unsere Klamotten kräftig mit dem PROTEX Spray von MOTOREX. Während der Rallye nutzten wir die kleinen und wiederbefüllbaren Mini-Kettenspraydosen von MOTOREX.
Die Kommunikation hat diesmal super gut geklappt. Das gesamte Team war mit Cardo Packtalk Geräten verbunden. Die Akkus hielten jeweils den ganzen Tag durch und die Geräte waren 100% wasserdicht. Die Soundqualität war großartig, die Kombination von "Navigationsansagen" + "Musik" + "Kommunikation" klappte problemlos. Auch gelegentliche Telefonanrufe konnten das System nicht überlasten. Große Empfehlung für große Abenteuer in der Gruppe!
Beim Helm setzte das gesamte Team auf den HJC V10. Der Helm bietet vielfältige Designoptionen und hat wunderbar zu unseren schönen Motorrädern gepasst. Auf der langen Tour genossen wir den hohen Tragekomfort.
Bei der Navigation hatten wir Roadbooks der Rennleitung zur Verfügung. Wir haben jedoch versucht den Verlauf der Strecke möglichst genau mit Calimoto nachzuzeichnen. Bei der Anreise nach Budapest und vor allem bei der Rückreise von Kotor haben wir aus Wettergründen auf die "schnellste" Option Autobahn gesetzt. Wer die Tour bei gutem Wetter nachfahren möchte, sollte die Schieberegler bei Calimoto für diese Abschnitte auf "kurvig" setzen. Hier der Link zum groben Routenverlauf.
Die 1000PS Crew bei der Balkanrally 2024
Komfort? Ja, aber mit kleinen Einschränkungen
Mit einer Sitzhöhe von 795 mm ist die Royal Enfield Shotgun 650 bequem für fast jeden Fahrer. Die Sitzposition selbst ist entspannt, ideal für lange Fahrten. Valentin "Poky" Pokorny meinte sogar, er hätte sich gefühlt, als wäre er 40 Jahre in der Zeit zurückversetzt. Das mag nach Nostalgie klingen, aber es ist auch ein Hinweis auf die Schwäche des Motorrads: Der Kniewinkel wird auf langen Etappen irgendwann unangenehm, vor allem, weil man durch die Sitzhaltung in einer Position verharrt.
Abhilfe schafft da nur die gute alte Taktik, sich auf den Tank zu legen, die hinteren Fußrasten auszuklappen und einfach mal in 60er-Jahre-Rennfahrer-Manier zu cruisen. Trotzdem: Langstrecken sind möglich und die Royal Enfield entpuppt sich als erstaunlich komfortabel vorausgesetzt, du erwartest keinen modernen Tourer. Die Federung ist ebenfalls ein kleines Fragezeichen. Mit nur 90 mm Federweg hinten und 120 mm vorne könnte man meinen, die Fahrt würde auf schlechten Straßen zur Qual. Doch hier überrascht das Motorrad. Solange man keine harten Stöße bekommt, ist es eigentlich ganz in Ordnung, meint Philipp. Dank Showa-Federbeinen hinten und einer Upside-Down-Gabel vorne bleibt die Shotgun überraschend gefasst selbst auf den holprigen Balkanstraßen.
Fahrverhalten: Entspannt statt rasant
Die Royal Enfield Shotgun 650 ist kein Motorrad, mit dem du die sportlichen Kollegen beeindrucken wirst. Es lädt dich nicht einmal dazu ein, es zu versuchen. Und das ist in Ordnung. Wolfgang, einer der erfahrenen Piloten bei der Rallye, fasste es so zusammen: Man bekommt wenig Feedback vom Fahrzeug und kommt erst gar nicht in Versuchung, mit den sportlichen Kollegen in der Gruppe mithalten zu wollen. Stattdessen fährst du gemächlich, genießt die Landschaft und wirst entschleunigt. Genau das, was ein Cruiser tun sollte.
Das Handling selbst ist einfach und unkompliziert. Die Shotgun gibt dir keine Rätsel auf, sie fährt sich extrem leicht und fühlt sich stets sicher an. Das Motorrad hat zwar mit seinen 233,5 kg ordentlich Gewicht auf den Hüften, aber es lässt sich dennoch gut bewegen. Beim Rangieren merkst du das Gewicht zwar vor allem im Stand aber sobald du rollst, ist das kein Problem mehr.
Verbrauch und Reichweite: Tankstopp, bitte!
Ein Problem, das während der Balkan Rallye auftrat, war der vergleichsweise hohe Verbrauch. Durch die ständige Bewegung am oberen Leistungslimit der Maschine denn bei 47 PS stößt man auf langen Autobahn-Etappen schnell an Grenzen musste häufiger getankt werden. Nach etwa 160 bis 200 Kilometern war es wieder soweit. Für ein Motorrad, das für Langstrecken-Abenteuer gebaut sein will, vielleicht etwas suboptimal. Aber wie bereits erwähnt: Die Shotgun ist kein Rennpferd. Sie ist ein treuer Begleiter, der dich zuverlässig von A nach B bringt auch wenn du hin und wieder an der Tankstelle verschnaufen musst.
Bremsen: Hinten hui, vorne pfui?
Bei der Bremsperformance gibt es geteilte Meinungen. Während die hintere Bremse überraschend stark ist, fühlt sich die vordere Bremse etwas schwach auf der Brust an. Das Dual-Channel-ABS arbeitet zuverlässig, aber von einem modernen Bremsgefühl darfst du hier nicht ausgehen. Es passt jedoch zum Charakter der Shotgun du wirst nie in Versuchung kommen, sie in die Kurven zu werfen oder auf den letzten Metern scharf zu bremsen. Das Tempo und die Art der Maschine machen es einfach nicht nötig.
Ausstattung: Ein Blick in die Vergangenheit mit moderner Technik
Auch wenn das Motorrad nostalgisch wirkt, bringt es doch einige moderne Features mit. Die Ausstattung ist praxistauglich: Ein USB-Anschluss und LED-Lichttechnik sind mit an Bord. Die USB-Buchse (Typ A) versteckt sich gut erreichbar links unter einer Abdeckung. Nicht schlecht für ein Motorrad, das auf den ersten Blick wie eine Hommage an vergangene Zeiten wirkt.
Die Materialanmutung und Verarbeitung sind top. Trotz des vergleichsweise niedrigen Preises von rund 8000 Euro wirkt das Motorrad gut verarbeitet. Alles sitzt an seinem Platz, und es gibt keine klapprigen Plastikteile, die einem den Spaß verderben könnten.
Schwachstellen: Gepäck und Blinker
Eine der pragmatischen Schwächen, die uns während der Rallye begegneten, war das Thema Gepäck. Die Shotgun bietet wenig Möglichkeiten, Gepäck sicher zu befestigen. Wir mussten die Taschen an den Blinkern festzurren mit dem Ergebnis, dass wir am Ende ein Blinkerklass verloren haben. Ein wenig Klebeband und der Blinker war wieder dran, aber für zukünftige Abenteuer wäre es sinnvoll, in eine stabilere Lösung zu investieren. Außerdem haben wir am letzten Tag eine Schraubenmutter vom Kupplungshebel verloren. So die Bilanz nach fast 3.000 anspruchsvollen Kilometern ohne Wartung und Pflege!
Fazit: Ein treuer Begleiter mit Charakter
Die Royal Enfield Shotgun 650 ist kein Motorrad für jeden. Sie ist ein Cruiser für Puristen, die nicht mit 200 km/h über die Autobahn jagen wollen. Sie entschleunigt dich, bringt dich zum Genießen und ist trotz ihrer Schwächen ein treuer Begleiter. Für knapp 8000 Euro bekommst du ein Motorrad mit viel Charakter und einer Verarbeitungsqualität, die dich positiv überrascht.
Für die 1000PS Crew war sie während der Balkan Rallye ein zuverlässiger Partner ein Motorrad, das nicht nur durch seine Optik, sondern auch durch sein Gefühl begeistert. Für denjenigen, der ein entspanntes, entschleunigtes Fahrerlebnis sucht, ist die Shotgun 650 genau das Richtige.
Balkan Rally 2024

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Fazit: Royal Enfield Shotgun 650 2024
Entschleunigung auf zwei Rädern mit Herz und Charakter. Sie ist ein Motorrad für alle, die den Fahrtwind spüren, die Landschaft genießen und die Seele baumeln lassen wollen. Mit ihrer entspannten Leistung, dem klassischen Cruiser-Look und einer soliden Verarbeitung erobert sie das Herz von Puristen, die das Ursprüngliche suchen.- Entspannter Fahrkomfort
- Klassisches Cruiser-Design
- Solide Verarbeitung
- Charakterstarkes Fahrerlebnis
- Günstiger Preis
- Moderne Ausstattung (USB, LED-Lichter)
- Einfaches Handling
- Angenehme Sitzposition für lange Fahrten
- Überdurchschnittlicher Verbrauch
- Begrenzte Gepäckmöglichkeiten
- Schwache vordere Bremse
- Unangenehmer Kniewinkel auf langen Etappen
- Schweres Gewicht beim Rangieren
- Unterdämpftes Fahrwerk bei schlechtem Asphalt
Bericht vom 03.10.2024 | 17.118 Aufrufe