News: Kohlbacher Susanne - Merzouga Rally
Merzouga Rally
Immer schön im Begrenzer, den Hahn immer schön weit offen, egal ob da eine Dünenkante emporragt oder nicht, wird halt kurz mit dem Mopped geflogen. Die Fahrer der Profiklasse, die diesen Fahrstil nicht nur betreiben sondern auch beherrschen sind namentlich erwähnt, unter vielen anderen Spitzenfahrern, die zur Zeit regierende spanische Dakar Königin, Laia Sanz, welche nicht nur sage und schreibe 13 mal die Trial Frauen WM für sich entschied, sondern auch den sensationellen 16 Platz bei der Dakar 2014 einheimste, sowie der zweifache Enduro Weltmeister aus Frankreich, Johnny Aubert, der zuletzt 2012 bei der Dakar an den Start ging und mit der 5. Ausgabe der Merzouga Rally wieder den Fehdehandschuh einer Wüstenrally aufnahm. Mit von der Partie auch der Marathonrally Weltmeister Pal Anders Ullevalseter aus Norwegen, bei der Dakar wiederholt unter den Top 10, und nebenbei auch zweifacher Enduro Europameister und der Niederländer Henk Knuiman, der bereits 10 mal die Dakar unter den Top 20 beendete und bei der ISDE 5 mal Gold umgehängt bekam. Kurz: zum Niederknien, mit wem ich da Tag für Tag an den Start gehen durfte und das tat ich auch just in diesem Moment, als diese Götter und Göttinnen des Motorsports in den goldgelben Dünen des marokkanischen Erg Chebbis an mir vorbeiflogen. Beeindruckt biss ich in meinen Fruchtriegel und nahm einen Schluck pisswarmen Wasser aus meinem Camelbak, denn zum gut Einspeicheln des kalorientechnisch gesehenen Cordon mit Pommes zwischen 2 Oblaten fehlte ob des vielen geschluckten Saharasands simpel die Spucke.
Linker Hand der fliegenden Profis spielte sich nämlich zeitgleich ein verschwitztes Drama in mehreren Akten bei den Amateuren ab. Der Kollege aus dem vereinigten Königreich lag neben mir ächzend im Sand, war fertig mit dieser Welt und wollte augenscheinlich nur mehr rasch ins Kamelgras beißen, Hauptsache die Qual hat ein Ende. Das konnte ich natürlich nicht zulassen, half ihm zuvor wiederholt sein bis zur Schwinge eingegrabenes Mopped wieder aufzustellen und suchte eine gut fahrbare Spur, um auf einer Düne eine Pause einzulegen, die ich mittlerweile auch schon gut gebrauchen konnte. Ohne Widerworte nahm der zerstörte Ritter den Vorschlag an, denn es warteten noch etliche Kilometer durch die höchsten Dünen des Ergs auf uns. Die 5. und letzte Etappe der Merzouga Rally, der „Extreme GP“ war eine reine Dünenetappe, gestartet im Le Mans Stil, also Stormtrooper Wettlauf zum Mopped. Die Route führte die Profis 2 mal durch den Erg, die Amateure waren ohnehin mit 1 Runde gut beschäftigt. Der aufmerksame Leser erkennt an dieser Stelle den eklatanten Unterschied zwischen Profirennfahrer und Hobbysportler: die Profis preschen vor Freude juchzend „Yeah, that's fun, it's like a Motocross Race!“ bereits zum zweiten mal an der Stelle vorbei, wo sich der motivierte aber eben doch Freizeitrennfahrer zum ersten mal aufarbeitet.....
Jeglicher Starter des Rennens wiederum und somit auch die sehr erfahrenen Piloten, biss sich die sandgestrahlten Zähne an der äußerst schwierigen Navigation aus. Ich persönlich dachte ja bis zur ersten Etappe meiner ersten Wüstenrally, dass ich den Umgang mit Roadbookbildchen und Tripmaster schon ganz passable im Griff hätte. Mastermind der Veranstaltung Edo Mossi gestaltete das täglich einzufärbelnde Bilderbuch für Rennfahrer absichtlich trickreich, um das Renntempo niedrig zu halten und so schwere Verletzungen der Fahrer zu vermeiden. Edos Plan ging auf, viele Teilnehmer verkofferten sich an diesem zweiten, auf den Prolog folgenden, Renntag extremst. Ich hielt es auch hier mit dem Motto „lieber mittendrin als nur dabei“ und suchte etwa 1 Stunde den eingezeichneten Weg. Die Kamelgraskatastrophe war leider für mich nicht als „Oued“, also so eine Art Flussbett, nur mit Sand und eben Kamelgrashügeln, die das Mopped so richtig garstig zu Boden zwingen können, zu erkennen, in der ich für mehre Kilometer unter Einhaltung einer Gradzahl hätte kämpfen müssen. Die 169km der Sonderprüfung wurden von mir mit der Kategorie „Jugend forscht“ getagged, ein lehrreicher Tag, denn diese am Papier kurz erscheinende Stage bot einen Vorgeschmack auf die nun folgenden Tage. Wer glaubte, diese Distanz auf einer Popohälfte abzurutschen, irrte gewaltig und dies meist mit abgekämpfter Visage. Kaum ein Kilometer, an dem man bzw. frau sich während der Fahrt hätte ausruhen können. Nicht wenn Edo Mossi am Werk war. Kleinen Dünen folgten riesige Sandwände, hatte der bereits schnaufende Fahrer diese endlich hinter sich, so folgte sofort eine Kletterpartie durch schwarze Steinhaufen, liebevoll im Roadbook mit „Trial“ gekennzeichnet – so konnte man sich bereits mental auf die Metamorphose zur Wüstenziege einstellen. Bis auf die Momente, wo ich mein Mopped unter Fluchen und Hulkgrunzen aus den Dünen zerrte, liebte ich meine für die Rally leicht adaptierte Husqvarna FE450 über alles. Die extra verbaute Rekluse Kupplung sparte mir gerade in den Steinpassagen sehr viel Kraft und erwies sich auch im Sand als extrem hilfreich. Schöne Sache, welche mir den einen oder anderen neidischen Blick einbrachte, wenn ich mit ein paar Gasstößen über kindskopfgroße Steine zirkelte oder die Husky ohne mir rasch eine dritte Hand wachsen zu lassen, aus dem Sand hob: linke Hand am Bergegurt hinten, rechte Hand am Gas, nur ein kleines Hulkgrunzen und das Mopped war aus den Fängen des Sands befreit. Schön wenn man nicht selbst kuppeln muss.
Nach diesem ersten gegenseitigen Beschnuppern von Fahrer und Strecke sollte nun jeder für die 2 aufeinanderfolgenden Marathonetappen mit in etwa jeweils 270km Sonderprüfung gerüstet sein. Übernachtung nicht im Heimathotel in Erfoud, sondern im Bivouac in Hassilabied. Oberstes Gebot neben einer ohnehin generell gültigen Vermeidung der Selbstzerstörung: bitte das Mopped nicht schrotten, denn zwischen den beiden Marathonstages darf kein Mechaniker Hand am Mopped anlegen, „no assistance allowed“, die Fahrzeuge standen über Nacht im „Parc Ferme“. Der erste Tag dieser Gewaltetappen verlief für mich überraschend gut und ich beendete den Tag tatsächlich auf Platz 14 in der Expertklasse. Johnny Aubert dürfte sich etwas später ähnlich beschwingt wie ich um die Kalorien am Buffet gestritten haben, denn auch er konnte nach einem verpatzten ersten Tag mit groben Schnitzern in der Navigation, als nun 3. in der Profiwertung wieder lächeln. Diese Parallelen ließen mich sanft einschlummern. Der Gedanke, vielleicht doch noch zu Größerem geboren zu sein, mein nunmehr offensichtlich vorhandenes, leider etwas zu spät gefördertes Talent, wird auch mich in den Olymp des Motorsports bringen, zauberte mir noch ein erschöpftes aber unendlich glückseliges Schmunzeln ins Gesicht. Vielleicht lag es aber auch nur an der Erschöpfung, dass ich nach der Raubtierfütterung sofort ins Bett und dann ins Koma fiel.....
Ein ständiges Auf und Ab, so nicht nur in den Dünen, sondern so der generelle Verlauf meines Rennens. Lief an einem Tag alles beinahe wie am Schnürchen, sorgte der folgende nicht nur aufgrund des Staubs für rote, feuchte Augen. Stage 3 und somit der 2. Marathontag wurde im Massenstart direkt in den Dünen begonnen. Mein Vorsatz, nicht diejenige welche zu sein, die sich dabei liegenderweise im Sand breitmacht, ging auf, diese Rolle übernahm jemand anderer, denn einer liegt immer. Die Dünen wurden immer höher, die Anzahl derer, die links, rechts und mitten in der Spur um ihr eingebuddeltes Fahrzeug krabbelten nahm somit direkt proportional zu. Erst als die schlimmsten Sandberge bereits hinter mir lagen, nutzte ich die Chance mich komplett zu vernichten. Als ich das Mopped bereits zum 4. mal aufrichten wollte, riss ich die Tankentlüftung raus, merkte dies aber erst, als sich bereits ein Schwall Benzin über meinen Oberschenkel ergossen hatte. „Oh, verdammt, das gute Benzin! Na hoffentlich komm ich noch bis zum nächsten Checkpoint..“ Diese Sorge war dann relativ schnell vergessen, denn plötzlich brannte meine Haut, als hätte ich Feuer gefangen. Schreiend sprang ich nun ums Mopped, dezent machte sich bereits Verzweiflung in mir breit. Ein Side by Side verlangsamte seine Geschwindigkeit als er auf das Häuflein Elend in meiner Person stieß. Der Beifahrer streckte fragend seinen hochgehobenen Daumen raus „Alles ok?“ Ich überlegte kurz „Ja, im Grunde schon, aua aua“ und antworte mit ebenfalls hochgestrecktem Daumen. Gut dass wir alle einen Zusatzkanister mit Wasser mitführen mussten, denn diesen leerte ich mir jetzt über den schmerzenden Oberschenkel. Nach dieser Einlage brauchte ich mal ein paar Minuten, um nochmal Kraft für ein weiteres Mal Bikewuchten zu sammeln. Brav drückte ich die grüne Taste des Etrack Systems, um der Orga mitzuteilen, dass ich lediglich eine Pause einlegte und nicht verletzungsbedingt kein sich bewegendes Signal mehr von mir kommt. Ich brüllte meine Husky nochmal an „Kannst Du jetzt bitte einfach aufzuheben sein, geht das?“ bevor ich ansetzte, sie wieder aus dem Sand zu bergen. Gefolgt von einem sehr lauten Schrei stand sie tatsächlich wieder. Aufgeben war kurz eine äußerst verlockende Option, muss ich schon zugeben....
Als ich beim Checkpoint einrollte, wurde ich freudigst und allerliebst empfangen. Ich wäre nicht die letzte, es waren zu diesem Zeitpunkt noch 15 Bikes in den Dünen. Bis zu diesem ersten Checkpointhatte ich bereits 2,5 Liter Wasser getrunken und ich war so dankbar über das frische Nass, das mir von der Orga gereicht wurde. Am Rande sei erwähnt, dass ich täglich um die 5 Liter Wasser getrunken hatte und kein einziges Mal hinter einem Stein, einem Sandhaufen oder ein paar Grashalmen, denn Büsche gab es nicht wirklich reichlich, verschwinden musste, um dieses wieder loszuwerden. Einen Teil davon verlor ich an diesem Tag nämlich auch in Form von Tränen, als ich die letzten 20km der Etappe unter heftigsten Rückenschmerzen hinter mich bringen musste. Das wiederholte Husky Stemmen zollte nun seinen Tribut. Bei CP2 und nach etwa 100km endete dieser Renntag für mich auf der Heckklappe des 4x4s der französischen Ärztinnen, die mich erst mit Nüssen und dann mit Errungenschaften der Pharmazie fütterten. Für die Nacht gab es nochmal Nachschub und für mein beleidigtes Fleisch die Chance, sich wieder zu entspannen und mir nicht mehr auf den Nerv zu gehen, der mich tagsüber zum Jaulen brachte.
Nach diesem Tal der Tränen durfte ich den nächsten Tag im Dauerhoch erleben. Alles schien zu klappen: kein Fehler in der Navigation, selbst für die Kamelgras Challenges hatte ich mittlerweile ein Rezept gefunden: frische Spur ziehen und die kleineren dieser Mistdinger einfach mit schönem Speed überfahren. Wenn da nicht dieser blöde Husten gewesen wäre. Das halbe Fahrerlager krächzte und bellte mittlerweile wie ein alter Hofhund im Winter und blickte mit glasigen Fieberaugen auf die Bilder im Roadbook. Die Nacht vor dem „Extreme GP“, der letzten Etappe dieser ohnehin fordernden Merzouga Rally, tat ich kein Auge zu und mutierte zum Heizkörper.
Aber deswegen nicht starten? Sicher nicht!
Der Fruchtriegel war hinuntergewürgt und nachdem dann auch die Führenden der SSV Profi Klasse an dem britischen Kollegen und mir vorbeigepflügt waren, trennten sich die Wege des nun wieder ansatzweise dynamischen Duos. Ich suchte abseits der ausgefahrenen Spuren meinen Weg durch die immer steiler werdenden Dünen, da die erste Spur im Sand immer die am schönsten zu fahrende ist. Grundsätzlich gute Taktik, ganz blöde Idee aber, wenn man das Mopped dann doch mal wieder eingräbt. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Hilfe in Form eines anderen Fahrers vorbeikommt ist abseits der Spurenautobahn relativ gering. Noch ein letztes Mal befreite ich meine Husqvarna aus dem Sand der Sahara, spuckte mittlerweile schon hustend grüne Brocken in die gelben Dünen und kämpfte weiter „Ich will ins Ziel, ich will ins Ziel, nur noch ein paar Dünen, sie werden schon wieder kleiner, nur noch 15km durch das Flussbett, noch ein paar Dünen...noch ein paar Dünen...“ Mit Erreichen des Ziels fiel ich samt dem Mopped um. Frau leer. Frau glücklich.
Schlussendlich dann doch nach 6 harten Renntagen im Ziel der Merzouga Rally einzurollen, war nicht nur für mich ein Erfolg. Jeder Fahrer wurde gefordert, viele mussten dafür über ihre Grenzen gehen. Pal Anders Ullevalseter kam am besten mit der schwierigen Mischung aus anspruchsvoller Navigation und harten Tracks zurecht und gewann die Rally vor Johnny Aubert und Deny Philippaerts. Laia Sanz landete als beste Dame auf dem 5. Platz der Gesamtwertung.
Kurz: die Merzouga Rally ist ganz großes Kino, eine sehr gut organisierte Profirally, für viele Spitzenfahrer das letzte Trainingsrennen vor der Dakar, für den Hobbypiloten das Highlight des Jahres.
Infokasten:
Die Merzouga Rally fand 2014 vom 18.10. - 24.10. im Süden von Marokko statt. Diese im FIM Kalender geführte Veranstaltung für Bikes, Quads und SSVs setzt eine entsprechende Rennlizenz und Starterlaubnis voraus, um teilzunehmen. 2 Klassen wurden angeboten, Pro und Expert, wobei der Unterschied in der zu fahrenden Distanz lag. Die zu bewältigende Distanz der Pro Klasse war um etwa 20-30% länger als die der Expert Klasse, ansonsten verlief der Streckenverlauf für alle Teilnehmer gleich. Mit Ausnahme der Marathonstages führte jeder Renntag wieder ins Bivouac in Erfoud.
Das GPS und Etrack bzw. Iritrack System wurden vom Veranstalter gegen Gebühr gestellt, zusätzliche GPS Systeme waren untersagt. Diese Trackingsysteme dienen auch der Sicherheit der Fahrer, denn sie erlauben eine Kommunikation mit der Orga und machen dieser auch den momentanen Standort des Fahrers ersichtlich.
Mit einer vorgegebenen Tankreichweite von 150km konnte die Merzouga Rally auch gut mit einem 11L Tank auf meiner Husqvarna FE 450 bewältigt werden, an manchen Checkpoints konnte bei einem Tanklastwagen der Orga der Durst des Moppeds wieder gestillt werden.
Wer gut Enduro fährt hat bei dieser Veranstaltung bestimmt keinen Nachteil, denn die Strecken sind durchgängig fahrtechnisch anspruchsvoll – nicht nur für ein Nudelaug, wie ich es bin. Eindrücke von der Strecke gibt es auf Youtube, z.B.: http://www.youtube.com/watch?v=AIP-pgBOnHg
Auf der Homepage der Rally sind Serviceteams gelistet, welche Biketransport, eventuell Mechaniker und weitere Betreuung anbieten. Ich genoss wie auch Henk Knuiman das Service des „Dirtgirls Rally Teams“ unter Teamchefin Tina Meier und dem x-fachen Dakar Servicespezialist Thorsten Kaiser von „Team Kaiser“.
http://dirtgirls.de/enduro-rallye/rallye-team/
Eingetragen am: 16.12.2014
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