Aus für Verbrenner
Keine neuen Benziner ab 2035!
Ab 2035 sollen nur noch klimaneutrale PKWs und Transporter verkauft werden. Darauf einigten sich die für Umwelt zuständigen Minister am 28. Juni in Luxemburg.
Den ganzen Tag über waren die Radionachrichten voll von dem Thema. 2030, 2035 oder 2040 soll das Verbot für die Zulassung von neuen Autos mit Verbrenner kommen. Sogar die Autonation Deutschland war eher auf der Seite der Befürworter, auf der Bremse stand offenbar Italien. Doch schon in den letzten Tagen war Unklar ob nun das Aus für den Verbrennungsmotor beschlossen wird oder ob der Betrieb mit alternativen und CO2 neutralen Treibstoffen möglich bleibt. Hier die betreffende Passage aus der gestrigen Pressemitteilung der Umweltminister im Detail:
Reduzierung der CO2-Emissionen bis 2035 um 100%
Der Rat stimmte zu, die Zielvorgaben für die Verringerung der CO2-Emissionen neuer Pkw und neuer Lieferwagen bis 2030 auf 55 % für Pkw und auf 50 % für Lieferwagen anzuheben. Der Rat einigte sich außerdem darauf, bis 2035 für neue Pkw und Kleintransporter ein Ziel zur Reduzierung der CO2-Emissionen um 100 % einzuführen.
Durch die damit verbundene Überarbeitung des Aufbaus einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) wird sichergestellt, dass die Fahrer ihre Fahrzeuge in allen Mitgliedstaaten aufladen können.
Unklarheit - was passiert mit Motorrädern? Was ist mit E-Fuels?
Doch wirklich Klarheit herrscht auch jetzt nicht. Einerseits werden wie üblich bei diesen Themen Motorräder mit keinem Wort erwähnt. Das ist manchmal gut, manchmal aber auch schlecht. Denn von einer Ausnahmeregelung für den Betrieb mit e-Fuels für gewisse Motorradkategorien ist natürlich nicht die Rede. Zusätzlich dazu muss nun ein Kompromiss mit dem EU-Parlament gefunden werden. Denn dort geht die Linie klar in Richtung E-Mobilität und weg vom Verbrenner.
Doch trotz der Hoffnungen für die Motorrad-Community zum Thema E-Fuel wird sich Motorradfahren in Europa schon in den nächsten 10 Jahren grundlegend ändern und wird in 20 Jahren ganz anders sein als wir es jetzt kennen. Denn während es jetzt so ist, dass es schwierig ist auf langen Touren sein Elektromotorrad ständig mit frischem Strom zu versorgen, wird es in Zukunft mit Benzinern herausfordernd. Für Tankstellenbetreiber wird es wirtschaftlich immer schwieriger ihre Tankstellen gewinnbringend zu betreiben. Betreibern und Investoren fehlt hier außerdem eine klare Zukunftsperspektive. Somit werden vor allem im ländlichen Bereich Tankstellen schließen und Touren abseits der Hauptverkehrsadern werden herausfordernder.
Hersteller benötigen Planungssicherheit
Die im Moment nicht 100% klare Situation ist eigentlich das Worst-Case-Szenario für uns Motorradfahrer. Denn wäre ein Umstieg auf Elektromobilität wirklich fix, dann würden die Motorradhersteller zumindest Planungssicherheit haben und könnten in diesem Bereich noch mehr investieren. Doch nun wird in den nächsten Jahren die Entwicklung im Bereich Verbrenner deutlich reduziert. Möglicherweise geht sich bei einigen Motoren noch ein kleines Update aus - doch die Entwicklung einer neuen Motorenplattform für eine ganze Modellfamilie wird sich nun wohl kein Hersteller mehr antun. Auf der anderen Seite sind die Investments im Bereich E-Antriebe und Batterien bei den Motorradherstellern noch überschaubar.
Nicht ganz unschuldig an der bescheidenen Auswahl von E-Motorrädern sind wir Motorradfahrer. Denn während Autofreaks mittlerweile aus dem Vollen schöpfen können und eine breite Auswahl haben, ist unsere Auswahl begrenzt und teuer. Das liegt auch daran, dass die Hersteller den Eindruck haben, dass bei Endkunden Elektromotorräder einfach nicht gut ankommen. Doch stellen wir uns mal ein Elektromotorrad vor, welches ähnlich positioniert ist wie ein Tesla Model 3 Performance! Er ist günstiger als ein vergleicher Benziner von BMW oder Audi bietet aber bessere Fahrleistungen. Bessere Fahrleistungen bei vertretbarem Preis? Davon kann die Motorradcommunity im Moment bloß träumen.
Individualmobilität wird teurer
Insgesamt wird das Aus für den Verbrenner aber auch ein Übergang zu e-Fuels eine Tendenz klar beschleunigen. Individualmobilität wird deutlich teurer. In 10-20 Jahren werden sich deutlich weniger Menschen sowohl das Motorradfahren als auch das Autofahren leisten können. Sie werden in ihrer Mobilität im Vergleich zu den Besserverdienern deutlich eingeschränkt. Als Heilsbringer könnten sich hier günstige Konzepte mit 2 oder 3 Rädern für Pendler in Stellung bringen. Die Chancen für die Motorradhersteller sind gewaltig. Bleibt zu hoffen, dass diese auch erkannt werden.
Doch wie sieht es mit den einzelnen Themengebieten im Detail aus? Welche Motorradkategorien werden wir in Zukunft genießen können. Beim Thema Urbane Mobiltiät müssen wir uns vermutlich keine großen Sorgen machen. Roller aber auch andere Spaßmacher mit kurzer Reichweite werden leistbar sein und es wird eine riesige Auswahl geben. Auch ist das Laden von den kleinen Akkus kein wirklich dramatisches Thema und wir werden auch in Zukunft mit unseren Bikes durch die Stadt flitzen können. Hier droht die Gefahr eher von Seiten der autonomen Fahrzeuge.
MX-Strecken in der Innenstadt?
Auch im Offroad Bereich wird es lustige Alternativen geben. Schon jetzt fahren viele ehemalige Enduristen mit ihren E-Mountainbikes durch die Wälder und haben auch damit ihren Spaß. Die Grenzen zwischen Motorrädern und Mountainbikes werden weiter verschwinden und wir werden eine große Auswahl an herzerwärmenden Modellen vorfinden. Zusätzlich dazu werden dann Motorsport-Parks in Gegenden möglich werden, wo es heute undenkbar wäre Motorsport zu betreiben. Gut möglich, dass neben dem Skatepark in Zukunft auch ein paar MX-Schanzen aufgebaut werden.
Die Superbikes auf der Rennstrecke werden vermutlich zukünftig mit E-Fuels betrieben werden. Ein Entwicklungsschub ist durch den Umstieg der MotoGP auf E-Fuels zu erwarten. Es wird teurer werden als bisher, doch damit verstärkt sich der Trend ohnehin nur welcher seit Jahren die Szene prägt. Motorradfahren auf der Rennstrecke wurde in den letzten 10 Jahren schon empfindlich teurer. Eine Garnitur Slicks kostet mittlerweile 400 Euro - ein sportliches Wochenende auf der Rennstrecke kostet insgesamt locker 1.500 Euro. Die Anzahl der Menschen welche sich das leisten können wird sinken.
Technologisch sehr herausfordernd wird es bei der Entwicklung von Reisemotorrädern. Denn einerseits benötigt man hier eine hohe Reichweite, auf der anderen Seite sind die Kunden in dieser Klasse auch ein hohes Maß an Fahrdynamik gewohnt. Mit den aktuellen technischen Möglichkeiten ist es nicht möglich eine gleichwertige Alternative zu einer BMW R 1250 GS, einer Multistrada V4 S oder ähnlichen Bikes anzubieten.
Aus für die Mittelklasse?
Mit den meisten Sorgenfalten betrachte ich jedoch das Segment der Mittelklasse Motorräder. Es ist nicht lange her, da konnte man für unter 7.000 Euro noch wirklich lässige Neumotorräder kaufen. Schon jetzt sind die Preise für Motorräder in dieser Liga deutlich gestiegen. Doch die Zukunft wird herausfordernd. Denn auch bei den Autoherstellern konzentrieren sich einzelne Hersteller bereits auf die gewinnbringende Oberklasse. Mercedes hat zuletzt das Aus der A und B Klasse angekündigt. Ähnliches droht bei den Motorrädern. Ein Vorgeschmack darauf bot das Aus für günstige Supersportmotorräder welches vor einigen Jahren bereits eingeleitet wurde. Die sporlichen und fahraktiven Nakedbikes in der Liga um die 80PS könnten das Opfer der Elektromobilität werden. Denn auch hier ist aktuell nicht absehbar wie es technisch möglich sein soll eine gleichwertige Alternative zu einer MT-07, Duke 890, Z 900 oder NC750X zu bieten - zu einem vertretbaren Preis.
Steigende Preise am Gebrauchtmarkt
Die Auswirkungen auf den Gebrauchtmarkt sind klar. Der aktuelle Trend wird sich fortsetzen und Gebrauchtmotorräder werden zukünftig die Preise halten oder teilweise sogar teurer werden. Dieser Trend wird sich noch einige Jahre fortsetzen. Doch ab einem gewissen Punkt werden die Schätze in unseren Garagen zumindest teilweise wieder an Wert verlieren. Sobald nicht nur die Zulassung sondern auch der Betrieb von Verbrennungsmotoren verboten wird. In den Städten wird das auch schon bald der Fall sein. Auf dem Land wird die Nachfrage nach dem Verbrenner nachlassen, sobald die Infrastruktur für E-Motorräder besser ist als für herkömmliche Verbrenner.
Blicken wir jedoch gemeinsam gespannt auf die Motorradneuheiten 2023. Gut möglich, dass einzelne Hersteller schon im kommenden Jahr einen Ausblick geben was zukünftig möglich sein wird. Im Herbst 2023 wissen wir hoffentlich mehr. Wir bleiben dran.
Bericht vom 29.06.2022 | 22.656 Aufrufe