Kawasaki Ninja H2 R Rückblick
Vom Gladiator zum Sammlerstück
Einmalige Gelegenheit für NastyNils. Die Testfahrt mit der 326PS Rakete von Kawasaki war das intensivste Erlebnis aller Zeiten. Noch mehr geht nicht. Rückblick auf das intensive Erlebnis. Und was wurde aus der H2R?

Es ist jetzt fast zehn Jahre her, seit ich an jenem denkwürdigen Abend in Doha mit zitternden Händen mein Besteck niederlegte. Die Atmosphäre beim Abendessen war elektrisch aufgeladen erfahrene Testpiloten, die bereits alles gesehen hatten, sprachen mit gedämpften Stimmen von einer Erfahrung, die sie nie vergessen würden. "The ride of my life", flüsterte ein englischer Kollege andächtig. Ich erinnere mich noch genau, wie ich früher als sonst den Tisch verließ, um allein zu sein und meinen Kopf frei zu bekommen. Denn am nächsten Tag würde ich der 326 PS starken Kawasaki Ninja H2 R gegenüberstehen einem technologischen Ungeheuer, das die Motorradwelt für immer verändern sollte. Der Losail International Circuit in Katar war 2015 die Bühne für diesen epochalen Test. Zuerst durften wir die bereits beeindruckende Serien-H2 fahren, doch es war die Rennstreckenversion H2 R, die später am Tag auf uns wartete. Noch heute höre ich das markerschütternde Dröhnen in meinen Ohren, als die Kawasaki-Techniker die ersten Maschinen starteten. Selbst hartgesottene Kollegen, die MotoGP-Bikes getestet hatten, wurden bleich "Oh my God" war alles, was sie herausbringen konnten, während wir uns hastig Gehörschutz in die Ohren stopften.
Weitere Modelle aus der H2 Kompressor Palette von Kawasaki
Die infernalische Beschleunigungsmaschine
Wie todgeweihte Gladiatoren saßen wir da, bereit für den Kampf mit einem Biest, das jenseits unserer Vorstellungskraft lag. Die Ninja H2 R fühlte sich dank der vorhergehenden Fahrten mit der H2 zum Glück vertraut an, doch der Charakter war ein völlig anderer. Während die Straßenversion unten herum ordentlich Drehmoment bot, musste ich die R-Version einen Gang tiefer fahren sie verlangte mehr Ehrgeiz im Sattel. Was mich damals am meisten überraschte: Trotz der unfassbaren Leistung ließ sich das Triebwerk mit erstaunlicher Präzision kontrollieren. Die ersten schnellen Kurven konnte ich mit hartem Druck nehmen, und die Stabilität war beeindruckend. Nur bei hohen Geschwindigkeiten um die 230 km/h untersteuerte die Maschine etwas. Doch das eigentliche Erlebnis war die Beschleunigung auf der Geraden. Bis 200 km/h war man damit beschäftigt, überhaupt im Sattel zu bleiben, aber die bewusstseinserweiternde Erfahrung begann erst dort, wo bei anderen Motorrädern bereits das Ende in Sicht war. Der irrsinnige Druck von 200 auf 300 km/h war für die menschlichen Sinne schlicht zu viel jedes andere Sportmotorrad fühlte sich daneben an wie ein 125er Roller. An jenem Tag erreichte ich auf der Zielgeraden knapp 325 km/h, während Testfahrer Horst Saiger auf 326 km/h kam und der Kawasaki-Werkspilot sogar 328 km/h schaffte.
Von der Sensation zum Kult-Objekt
Was aus diesem technologischen Meilenstein geworden ist, fasziniert mich heute genauso wie damals das Fahrerlebnis selbst. Die Community der H2 R-Besitzer ist klein, exklusiv und leidenschaftlich. Anders als erwartet, sind die meisten dieser Maschinen nicht regelmäßig auf Rennstrecken unterwegs, sondern werden als Sammlerstücke gehegt und gepflegt. Ausfahrten auf der Rennstrecke erfordern sorgfältige Planung. Die Maschine hat einen erhöhten Wartungsaufwand und aufgrund des hohen Lärmniveaus kann sie nur auf wenigen Strecken gefahren werden. Die Community ist sich einig: Die H2 R ist mehr Kunstwerk als Gebrauchsgegenstand. In Gesprächen mit Besitzern wird deutlich, dass viele die Maschine als Investition betrachten. "Ich fahre sie zweimal im Jahr auf einer privaten Rennstrecke in Spanien", erzählte mir mal ein deutscher Eigentümer. "Den Rest der Zeit steht sie in meinem Wohnzimmer meine Frau hasst es, aber für mich ist es das schönste Designobjekt, das man für Geld kaufen kann."
Produkttipps
Langzeit-Erfahrungen: Erstaunlich robust, wenn man sie pflegt
Was alle überrascht hat: Die H2 R ist trotz ihrer extremen Leistung erstaunlich zuverlässig. Der aufgeladene Vierzylinder, den viele Experten anfangs kritisch beäugten, hat sich als bemerkenswert langlebig erwiesen vorausgesetzt, die Wartungsintervalle werden peinlich genau eingehalten. "Der Kompressor ist ein technisches Meisterwerk", schwärmt ein Besitzer, der seine H2 R seit fünf Jahren regelmäßig auf europäischen Rennstrecken bewegt. "Bei 15.000 Kilometern habe ich ihn vorsorglich überprüfen lassen ohne Befund. Alles lief noch wie am ersten Tag." Die typischen Schwachstellen, die in der Community diskutiert werden, sind überschaubar. Die Kühlung steht unter enormem Druck, weshalb einige Besitzer zusätzliche Ölkühler nachrüsten. Interessanterweise berichten viele Langzeitbesitzer von einem Phänomen, das ich bereits beim ersten Test bemerkte: Das Ansprechverhalten bei den ersten Millimetern am Gasgriff könnte präziser sein. Einige haben dieses Problem durch eine spezialisierte Abstimmung beheben lassen keine billige Angelegenheit, aber für Perfektionisten unerlässlich.
Der Wartungskosmos: Nicht für schwache Nerven
Die Wartung einer H2 R ist ein Kapitel für sich. Kawasaki empfiehlt Inspektionen alle 2.500 Kilometer oder nach jedem Rennstreckeneinsatz je nachdem, was früher eintritt. Die Kosten sind erheblich: Eine große Inspektion schlägt mit 1.500 bis 2.000 Euro zu Buche, und das ohne eventuell notwendige Reparaturen. Die Ersatzteilsituation ist überraschend gut. Kawasaki hat sich verpflichtet, alle spezifischen Teile für die H2 R mindestens bis 2030 vorzuhalten. Allerdings sind die Preise nichts für schwache Nerven: Ein Satz Carbonverkleidung kostet so viel wie ein gebrauchter Kleinwagen.
Marktwert und Verfügbarkeit: Eine Wertanlage auf zwei Rädern
Die Wertstabilität der Ninja H2 R ist bemerkenswert. Von den weniger als 500 weltweit produzierten Exemplaren kommen pro Jahr nur eine Handvoll auf den Markt. Die ursprünglich für rund 50.000 Euro angebotenen Maschinen werden heute für 60.000 bis 80.000 Euro gehandelt Tendenz steigend. Besonders begehrt sind ungefahrene Exemplare mit Erstauslieferungszustand, die heute Preise von über 100.000 Euro erzielen können. Für weniger betuchte Enthusiasten gibt es die "normale" H2, die inzwischen als Gebrauchte ab etwa 25.000 Euro zu haben ist immer noch teuer, aber im Vergleich zur R-Version fast ein Schnäppchen. Interessanterweise ist die Nachfrage nach der H2 R in den letzten Jahren sogar gestiegen.
Fazit: Ein zeitloses Stück Motorradgeschichte
Wenn ich heute, fast ein Jahrzehnt später, auf meinen Test in Katar zurückblicke, bin ich immer noch von Ehrfurcht erfüllt. Die Kawasaki Ninja H2 R war und ist eine technologische Tour de Force, die gezeigt hat, was möglich ist, wenn Ingenieure die Fesseln der Vernunft abstreifen dürfen. Was damals als reine Leistungsdemonstration begann, hat sich zu einem Kulturgut der Motorradwelt entwickelt ein Sammlerstück, das nicht nur wegen seiner rohen Kraft, sondern auch wegen seiner Seltenheit und seines historischen Wertes geschätzt wird. Für wen ist die H2 R heute noch relevant? Die Ninja H2 R spricht drei Arten von Menschen an: Sammler, die ein Stück Motorradgeschichte besitzen wollen; wohlhabende Enthusiasten, die das ultimative Adrenalinerlebnis suchen; und technische Perfektionisten, die das Nonplusultra der Zweirad-Ingenieurskunst in ihrer Garage haben möchten. Als ich damals schrieb: "Wer auf Speed, Beschleunigung und Technik steht, der muss die Ninja H2 R kaufen. Wer nicht, der wird sie nie verstehen", hätte ich nicht gedacht, wie prophetisch diese Worte sein würden. In einer Welt, in der Elektrifizierung und Effizienz das Narrativ dominieren, steht die H2 R als letztes Monument einer Ära dar, in der rohe, ungezähmte Kraft das höchste Ziel war. Und genau das macht sie heute wertvoller denn je.
Fazit: Kawasaki Ninja H2R 2015
Die Kawasaki Crew hatte ein Vision. Ein Motorrad zu bauen, welches für Aufregung sorgt und in Sachen Fahrleistungen und Technologie in komplett neue Dimensionen vorstoßt. Diese Vision ist gelungen. Die 326 PS Maschine ist für erfahrene Piloten ohne akute Lebensgefahr zu pilotieren. Die Intensität der Beschleunigung ist unbeschreiblich. Es begeistert aber auch der perfekte Gesamtauftritt vom Motorrad mit unzähligen hochwertigen Details. Schwächen im Vergleich zu normalen Motorrädern erlaubt sich die H2 R bei der Gasannahme und bei der Linienpräzision bei hohen Geschwindigkeiten. Insgesamt ist die H2 R für den Testpiloten das faszinierendste Motorrad aller Zeiten und kann Benzinjunkies mit gutem Gewissen ans Herz gelegt werden. Die H2 R gibt es zum Preis eines gut ausgestatteten Premium-Kombis deutscher Produktion - nur mit "etwas" mehr Adrenalin.- Verarbeitungsqualität
- Leistung, Drehmoment, Durchzug, In der 300PS Liga überraschend niedriger Wartungsaufwand
- Beschleunigung - wie von einem anderen Stern
- Dosierbarkeit vom Motor grundsätzlich sehr gut
- Mit Körpergröße über 185 cm unbedingt probesitzen - es könnte knapp werden für die Füße
- hochwertige Details an allen Ecken
- Über 300PS, trotzdem höchste Qualitätsstandards aus Serienproduktion
- grandiose Lackierung
- hervorragende Bremsen
- Tolle Stabilität in jeder Lebenslage
- Ansprechverhalten vom Motor bei den ersten paar Grad am Gasgriff
- Untersteuern bei hohen Geschwindigkeiten
- Höherer Wartungsaufwand als bei normalen Motorrädern
- Der Sound ist infernalisch - kann man lieben, kann aber auch zu Problemen auf Rennstrecken führen
Bericht vom 21.04.2025 | 10.494 Aufrufe